Klassenhass mit Bassgitarre

Plattenbau: Was machen die Sleaford Mods im »Fuckdown«?

  • Jens Buchholz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Sleaford Mods sind im »Fuckdown«. Bei anderen Briten mag es der Lockdown sein. Bei Jason Williamson und Andrew Fearn ist es der Fuckdown, denn es gibt viel zu verfluchen im Lockdown. Und »Spare Ribs« ist das Fuckdown-Album. Williamson hat sich ja inzwischen zu einer Art Ehrenvorsitzender des »Invisible Britain« entwickelt. »Die Arbeiterklasse in Großbritannien ist unsichtbar geworden«, erklärte die Soziologin Lisa McKenzie 2015 in der Sleaford-Mods-Doku »Invisible Britain«. Die Working Class fühle sich nicht repräsentiert von den ganzen Privatschulpolitikern und Medien. »Die Arbeiterklasse will sich selber hören und sehen, wie sie tatsächlich ist«, meinte McKenzie. Und sie glaubt, dass die Sleaford Mods ihr genau das bieten.

Die Sleaford Mods seien zwar eine Punkband, erzählte Williams vor Kurzem der »Irish Times«, »… aber wir interessieren uns auch dafür, wie Popmusik funktioniert, als Strophe - Refrain - Strophe - Refrain - Mittelteil und so weiter.« Das merkt man auf »Spare Ribs«. Einige der Tracks sind sehr catchy, fast schon poppig. Vor allem natürlich die umwerfend ausgeklügelte Single »Mork’n Mindy«, bei der Billy Nomates eine ohrwurmige Hook beisteuert. Aber auch »Nudge it«, bei dem Amy Taylor von der australischen Punkband Amyl and the Sniffers mitmischt. Bei beiden Tracks hat Fearn beim Komplexitätslevel der Arrangements um einen Level erhöht. »Die Jahre ziehen ins Land und je verzweifelter du dich fühlst, um so mehr Trost ziehst du daraus Musik zu machen, die eine klare Botschaft hat«, sagt er. Und das haben die Tracks auf »Spare Ribs«.

Die gesamte Platte »Spare Ribs« kommentiert das Coronajahr 2020. Williamson tut das auf gewohnt direkte Weise. Auf den etwas merkwürdigen Auftakt »The New Brick« folgt »Shortcummings«. Zu einer klassischen Sleaford-Mods-Bass-Line schimpft Williamson über Dominic Cummings. Cummings war der etwas zwielichtige Organisator der Vote-Leave-Kampagne vor der Brexit-Abstimmung und später Berater von Boris Johnson. Mit beidem machte er sich zu einem Haupthassobjekt von Williamson. »Elocution« basiert ebenfalls auf einem klassischen LoFi-Beat, zu dem Williamson ziemlich melodiös und ziemlich eindeutig mit Class Tourism abrechnet: »I wish I had the time / To be a wanker just like you …«. Die Wanker (zu Deutsch: Wichser) sind Leute aus der Mittelklasse, die sich aus Abenteuerlust in typischen Arbeiterklassengegenden herumtreiben.

»Out there« beschäftigt sich mit dem unwirklichen Leben in der Pandemie. »Man fühlt sich ja wie in einem Katastrophenfilm oder so«, kommentiert Williamson den Track gegenüber dem amerikanischen »Rolling Stone«, »man rechnet ständig damit, dass gleich Tom Cruise um die Ecke gerannt kommt.« Und es missbilligt ziemlich deutlich den Gedanken, dass Ausländer für die Pandemie verantwortlich seien. »Glimpses« kritisiert den Glauben an Konsum und Besitz. Und man glaubt es kaum, aber der Track hat einen utopischen Impuls. »›Glimpses‹ soll auch einen Ausblick auf ein besseres Leben geben, eines das wir noch nicht kennen«, meint Jason Williamson. Wer hätte das gedacht?

»Top Room« dagegen ist eine Selbstbetrachtung aus der Isolation des Lockdowns heraus. Der Titeltrack »Spare Ribs« dreht sich um Obdachlosigkeit. Fearn manövriert den Frontmann mit seinen meist sparsamen Instrumentaltracks durch seine Texte, ohne dass auch nur ein einziges Mal die Spannung abfällt. Die Sleaford Mods sind genau die Proteststimme, die Europa braucht. Von der »Irish Times« angesprochen auf den Protestsänger Woody Guthrie, meint Williamson: »Ich liebe es, dass auf seiner Gitarre ›This machine kills fascists‹ steht, das ist glasklar Punkideologie!«

Sleaford Mods: »Spare Ribs« (Rough Trade)

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