Baurecht für Straßenbahn zur Turmstraße

Planfeststellungsverfahren für Verlängerung vom Hauptbahnhof ist abgeschlossen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Möglicherweise wird Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) noch einmal zur Schaufel greifen dürfen für den ersten Spatenstich einer neuen Straßenbahnstrecke in Berlin. Denn nun wurde der Planfeststellungsbeschluss für die Verlängerung der Tram vom Hauptbahnhof zur Turmstraße erteilt. Die Linie M10 soll von der Warschauer Straße kommend meist im Fünf-Minuten-Takt eine Anbindung an die U9 am U-Bahnhof Turmstraße erhalten.

Ergangen ist der Planfeststellungsbeschluss für die 2,1 Kilometer lange Neubaustrecke bereits am 14. Dezember 2020, im Internet veröffentlicht wurde er jedoch erst dieser Tage. Von der Verkehrsverwaltung öffentlich ausgelegt werden die Unterlagen erst ab 25. Januar. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben am 23. Dezember 2020 die Ausschreibung für die Vergabe der Bauleistungen gestartet. Der Zuschlag für den Auftragnehmer soll am 1. Juni erteilt werden. Wenn es keine Klagen mit aufschiebender Wirkung gibt, ist ein Baubeginn noch vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus im September durchaus möglich. Spätestens 16 Monate nach Beginn muss die Strecke fertiggestellt sein. Die BVG rechnet derzeit mit einer Fertigstellung im 1. Quartal 2023. Wenn alles gut läuft, könnte die Straßenbahnverlängerung aber auch schon Ende 2022 in Betrieb gehen. Deutlich verfehlt wird damit das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel, dass diese Strecke als eine von vieren bis Ende der Legislatur in Betrieb genommen werden kann. »Das Baurecht kommt natürlich sehr spät, aber es ist ein wichtiges Signal«, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB zu »nd«.

»Beim Projekt Turmstraße dauert das Verfahren insgesamt länger als geplant, weil das ursprüngliche Gutachten der Vorhabenträgerin zum Thema Lärm und Erschütterung nicht ausreichend war«, heißt es aus der Verkehrsverwaltung. Bei immerhin 69 Häusern sind laut Planfeststellungsbeschluss zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen wie besser dämmende Fenster nötig. Nach der Überarbeitung mussten die Unterlagen erneut öffentlich ausgelegt werden, mit der Folge, dass neue Fristen für Einwendungen samt erneuter Bearbeitung nötig wurden.

Laut Planungsunterlagen wird mit 16 000 Fahrgästen pro Tag auf der neuen Strecke gerechnet, wobei diese Schätzung natürlich aus der Zeit vor der Corona-Pandemie stammt. Rund 30 Millionen Euro sind für den Bau veranschlagt. Die Gleise sollen von der Invalidenstraße zunächst vor dem Untersuchungsgefängnis Moabit nach rechts in die Rathenower Straße und im Anschluss nach links in die Turmstraße führen und am U-Bahnhof enden. Damit erhält auch das Strafgericht Moabit endlich eine adäquate Nahverkehrsanbindung. Die Weiterführung der Linie zum Bahnhof Jungfernheide wurde vom Senat bereits Ende 2019 beschlossen. Der Wunsch nach einer attraktiven Ost-West-Verbindung im Ortsteil ist so groß, dass viele Anwohner die Eröffnung herbeisehnen. Vor 2027 dürfte damit allerdings nicht zu rechnen sei.

Tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode in Betrieb gehen dürfte indes die 2,7 Kilometer lange Straßenbahnstrecke vom Bahnhof Schöneweide in die Wissenschaftsstadt Adlershof. Der erste Spatenstich hierfür erfolgte im Mai 2020. Der Planfeststellungsbeschluss für die Umverlegung der Straßenbahnlinie 21 aus einem Teil der Boxhagener Straße an den Bahnhof Ostkreuz wird wiederum erst für das erste Halbjahr erwartet. Über 1000 Einwendungen von Anwohnern hatten das Verfahren praktisch zum Erliegen gebracht. Inbetriebnahme könnte 2022 oder 2023 sein. Für den zweigleisigen Ausbau in Mahlsdorf soll das Planfeststellungsverfahren dieses Jahr eingeleitet werden. Bei weiteren Strecken laufen zwar die Planungen, bis Baurecht vorliegt werden allerdings noch Jahre ins Land gehen.

»Die Bilanz der Legislaturperiode ist mehr als bescheiden«, findet Fahrgastvertreter Wieseke. Ihm bereitet zugleich die neue Offenheit der Grünen für U-Bahn-Verlängerungen Sorgen. »Die Planungsressourcen werden für U-Bahn und Straßenbahn nicht reichen. Wenn es keinen Fundamentalaufstand der Grünen-Basis gegen die Überlegungen gibt, wird der dringend nötige Netzausbau bei der Straßenbahn noch länger dauern, wenn er überhaupt kommt.«

Die Verkehrsverwaltung weist darauf hin, dass die Zahl der Tram-Planerstellen seit 2016 vervierfacht wurde – auf nun acht. Allerdings sollen dem Vernehmen nach auch drei davon nicht besetzt sein.

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