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Impfung wird zum Lotteriespiel

In Brandenburg wurden 9000 vereinbarte Termine abgesagt, aber anderswo neue Termine vergeben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Renate Butschigk aus Erkner ist empört. Über drei Tage hinweg musste die 85-Jährige etwa 120-mal die Telefonnummer 116 117 wählen, bevor sie durchkam und einen Termin bekam, um sich im Impfzentrum im Flughafen Schönefeld eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus verabreichen zu lassen. Am Montagnachmittag wäre sie dran gewesen. Doch wegen der Lieferschwierigkeiten des Impfstoffherstellers Biontech/Pfizer wurde ihr Termin am Donnerstag abgesagt. In einer E-Mail wurde ihr dazu dann zu allem Überfluss auch noch mitgeteilt: »Sie haben Ihren Impftermin erfolgreich storniert.« So als hätte sie nicht mehr kommen können oder kommen wollen. »Das ist frech«, bemerkt sie. Es hätte ihr doch mitgeteilt werden müssen, dass es daran liegt, dass es am Impfstoff mangelt.

Gleichzeitig hat Renate Butschigk in der Zeitung gelesen, dass in Oranienburg noch ein neues Impfzentrum eröffnet wurde und dass auch noch neue Impftermine vergeben werden. Das ist tatsächlich so. Damit nicht genug wird an diesem Dienstag im Stahlpalast von Brandenburg/Havel auch schon wieder ein weiteres Impfzentrum eröffnet. So oder so ähnlich wie Renate Butschigk ist es in den zurückliegenden Tagen zahlreichen älteren Einwohnern Brandenburg ergangen.

Gestrichen wurden inzwischen die Impfungen von rund 9000 Menschen, die für die Impfzentren in Cottbus, Potsdam und Schönefeld einen Termin vereinbart hatten. Wegen der Lieferverzögerungen werden dort jetzt zunächst nur noch die Zweitimpfungen vorgenommen, die nach 21 Tagen erfolgen sollen. Alle Erstimpfungen sind vorerst verschoben worden. Wann die Betroffenen einen neuen Termin bekommen, ist nach Angaben des Ressorts von Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) derzeit noch unklar.

»Diese Nachricht ist für 9000 ältere Menschen beängstigend und frustrierend. Sie hatten mit ihrem Impftermin viel Hoffnung verbunden«, sagt der Landtagsabgeordnete Ronny Kretschmer (Linke). Die Impfstrategie Brandenburgs sei von Anfang an unstrukturiert gewesen. Einen Termin zu bekommen, werde »immer mehr zum Lotteriespiel«.

Zwischenzeitlich wurden gar keine Termine mehr vergeben. Seit Sonntag konnten wieder Termine für die Impfzentren Frankfurt (Oder), Oranienburg, Elsterwerda, Brandenburg/Havel, Prenzlau, Luckenwalde, Eberswalde und Kyritz vereinbart werden. Bereits am Sonntagnachmittag waren Frankfurt (Oder) und Oranienburg ausgebucht, am Montagnachmittag dann alle bis auf Prenzlau, wie die Kassenärztliche Vereinigung mitteilte. Dass bereits neue Termine vergeben worden sind, während zugleich alte Termine abgesagt wurden, ist nach Angaben des Gesundheitsministeriums eine politische Entscheidung gewesen. »Auch in Elsterwerda warten Menschen auf Impfstoff«, sagte Nonnemachers Sprecher Gabriel Hesse. Bis Montag waren 58 422 Erstimpfungen und 1123 Zweitimpfungen verabreicht.

Brandenburg soll in dieser Woche 17 550 Impfstoffdosen von Biontech/Pfizer und 2400 Dosen von der Pharmafirma Moderna erhalten. Das sind 25 Prozent weniger als erwartet. Den Impfstart am 27. Dezember hatte Brandenburg vermasselt. In den ersten Tagen und Wochen wurden viel weniger Menschen geimpft, als möglich gewesen wäre. Nur in Thüringen lief es damals noch schlechter. Im bundesweiten Impf-Ranking des Robert-Koch-Instituts hat Brandenburg mittlerweile aufgeholt. Mit seiner Impfquote von 2,3 Prozent landet das Land mit Bremen auf dem vierten Platz. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 1,9 Prozent. Mit dpa

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