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  • Corona in den Niederlanden

Nächtliche Ausgangssperre nimmt den letzten Freiraum

In den Niederlanden folgten große Gruppen von Jugendlichen Aufrufen im Internet zum gewaltsamen Protest gegen Corona-Restriktionen

  • Sarah Tekath, Amsterdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Bilder wie aus dem Bürgerkrieg? Aufnahmen in den sozialen Netzwerken aus Rotterdam, den Haag, den Bosch und Eindhoven zeigen vor allem eines: dass es sich bei den Tätern vornehmlich um Jugendliche und junge Erwachsene handelte. Häufig filmten sie sich bei den Gewalttaten selbst. Die Medien zeigten brennende Autos, vermummte Gestalten und explodierende Feuerwerkskörper.

Nach tagelangen Krawallen rückt in den Niederlanden die sich in der Bevölkerung ausbreitende Frustration angesichts autoritärer Corona-Maßnahmen stärker in den Mittelpunkt der Debatte. Ausgelöst hatte die Ausschreitungen die Einführung der landesweiten Sperrstunde zwischen 21 und 4.30 Uhr am 23. Januar.

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Am Sonntag eskalierte auf dem Amsterdamer Platz Museumplein eine Demonstration von knapp 500 Personen. Es kam zu Randalen mit 190 Verhaftungen. Die meisten der Festgenommenen wurden jedoch schon am Montag wieder entlassen. Die Ausnahme bilden 27 Personen, von denen sieben noch minderjährig sind. Amsterdams Bürgermeisterin Femke Halsema wandte sich in einer Erklärung an die Eltern in der Stadt, »ihre Kinder drinnen zu behalten« und rief die Jugendlichen der Stadt dazu auf, sich nicht an den Ausschreitungen zu beteiligen.

In den Folgenächten wurden an verschiedenen Orten in den Städten, so Montagabend im Amsterdamer Stadtteil Oost, weitere Demonstrationen organisiert. Aufrufe verbreiteten sich über WhatsApp und Facebook. In Oost, berichtet die Zeitung »Het Parool«, kamen vor allem junge Männer aus dem Viertel zusammen, die Feuerwerk und Steine auf die Polizei warfen. Bei der Aktion wurden elf Personen verhaftet.

Ein Anwohner erklärte gegenüber dem TV-Sender AT5: »An jeder Ecke steht Polizei. Sie kommen in Gruppen und dann heißt es abwarten, wer anfängt.« Bereits am Silvesterabend habe es in dem Viertel Ausschreitungen gegeben, berichtete der Stadtteilvorsitzende Maarten Porter im Gespräch mit AT5.

Parool-Kolumnist Pieter Lagerwaard schrieb am Mittwoch, dass es wichtig sei, nicht die Empathie zu verlieren für die aktuell aussichtslose Lage einiger Jugendlicher. »Sie wohnen oftmals mit vielen Personen in einer kleinen Wohnung. Viele Nebenjobs sind weg und die Schulen geschlossen. Geschäfte, Kneipen und Fitnessstudios sind zu und jetzt wird ihnen auch noch der letzte Freiraum verboten: die Straße.«

»Viele junge Leute haben nicht nur keine Wohnung, sondern auch keine feste Arbeit, haben nur schwer Zugang zu Bildung, wenig Zukunftsperspektive und jetzt ist auch die Straße nicht mehr zugänglich«, so Lagerwaard. »Die Ausgangssperre ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.«

Tom Postmes, Hochschuldozent für Sozialpsychologie, spricht von Jugendlichen, die sich langweilen und einfach etwas zu sehen bekommen wollen. »Da kommen Menschen, die auf ein bisschen Action hoffen.«

Am Dienstag hat Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb die Randalierer per Videobotschaft direkt angesprochen. Er fragte: »Fühlt ihr euch jetzt gut? Fühlt es sich gut an, dass ihr den Geschäftsleuten in eurer eigenen Stadt geschadet habt? Seid ihr jetzt stolz auf euch?« Deutsche Medien zitieren erste Analysen der niederländischen Polizei, dass sich verschiedene Gruppen an den Ausschreitungen beteiligen würden. Darunter Neonazis, Corona-Leugner und Hooligans.

Mittlerweile haben allerdings vor allem extreme Fußball-Ultras begonnen, in den Städten Bürgerwehren zu bilden, die nachts durch die Straßen patrouillieren. So zogen beispielsweise in Maastricht am Dienstagabend mehrere Hundert Ultras des Fußballvereins MVV durch die Stadt. Ferdinand Grapperhaus, Minister für Recht und Sicherheit, kritisierte dies in der Talkshow Op1. »Ich schätze es, wenn Bürger sagen: ›Wir sprechen uns gegen die Randale aus.‹ Aber für die Aufrechterhaltung der Ordnung sind die Polizei und die Gendarmerie zuständig.«

Die Ausgangssperre gilt vorerst bis zum 9. Februar. In einigen Stadtvierteln hat die Polizei ihre Präsenz erhöht. Auch wenn sich die Situation entspannt hat, bleibt sie explosiv.

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