Vergeblich zum Impftermin

Potsdamer Ehepaar bekommt keine Absage und zahlt umsonst für Taxi

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist ärgerlich genug, wenn vereinbarte Impftermine kurzfristig abgesagt werden, weil die Pharmafirma Pfizer den Corona-Impfstoff nicht im erwarteten Umfang liefert. Noch ärgerlicher ist es, wenn hochbetagten Senioren nicht abgesagt wird, diese sich vergeblich auf den Weg machen und dazu noch auf einer Taxirechnung sitzen bleiben.

So ist es in Potsdam dem 85-jährigen Günter Skupin und seiner 90-jährigen Frau ergangen. Sie hatten per Brief Termine für ihre erste Impfung am 28. Januar und die zweite am 18. Februar erhalten. In dem Brief stand der Hinweis, dass am Impfzentrum in der Metropolishalle in Potsdam-Babelsberg schwer Parkplätze zu finden sind. Günter Skupin und seine Frau sind gehbehindert. Sie könnten den Weg weder mit Bus und Straßenbahn zurücklegen noch sich einen Fußmarsch leisten, wenn sie den eigenen Pkw weit entfernt vom Ziel abstellen müssen. Deshalb bestellten die Skupins ein Taxi zu ihrer Adresse in der Potsdamer Kirschallee. Zusammen 44,60 Euro kosteten Hin- und Rückfahrt.

Doch an der Metropolishalle wurde ihnen vom Personal gesagt, dass dort wegen des Impfstoffmangels vorerst keine Erstimpfungen mehr stattfinden und alle Termine für solche Impfungen abgesagt sind. Genauso verhält es sich mit den Impfzentren in Cottbus und Schönefeld. Die Nachricht hat Skupin aber nicht erreicht, weder per Telefon (er hat einen Anrufbeantworter) noch per Post. Über eine E-Mail-Adresse verfügt er nicht. »Vor uns stand ein Herr, der auch nicht wusste, dass sein Termin abgesagt wurde«, berichtet Günter Skupin. Die 44,60 Euro hätte er umstandslos aus eigener Tasche bezahlt, wenn es mit der Impfung geklappt hätte. Aber wenn das noch öfter schiefgeht, dann geht das ins Geld. Darum hat der 85-Jährige bei der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB) angerufen und gefragt, wohin er seine Taxirechnung zur Erstattung der Kosten schicken kann. »Zu uns nicht«, sei ihm dort bedeutet worden, sagt er. Und nun?

»Insgesamt wurden rund 9000 Termine umgebucht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Callcenters haben telefonisch mindestens dreimal an zwei verschiedenen Tagen versucht, die betroffenen Bürger zu erreichen«, erklärt KVBB-Sprecher Christian Wehry. »Hat dies nicht geklappt, dann wurde eine automatisierte E-Mail ausgelöst, und die Betroffen haben zudem einen Brief mit allen wichtigen Informationen erhalten.« Der KVBB seien vier Fälle bekannt, in denen das Callcenter Bürger telefonisch nicht erreichte, keine E-Mail-Adresse vorlag und der Brief nicht angekommen ist. Bei mehr als 9000 Terminen sei davon auszugehen, »dass einige Bürger wirklich nicht erreicht werden können«. Sobald wieder ausreichend Impfstoff verfügbar sei, werden diejenigen, deren Termine gestrichen wurden, telefonisch kontaktiert, um neue Termine mit ihnen zu vereinbaren, versichert Wehry. »Sie werden bevorzugt behandelt und müssen selbst nichts weiter veranlassen.« In begrenztem Umfang können Hausärzte mobilitätseingeschränkten Patienten, die gesetzlich krankenversichert sind, eine Krankenfahrt zum nächstgelegenen Impfzentrum verordnen, erläutert Wehry. Das gelte für Patienten, deren Schwerbehindertenausweis den Vermerk »aG« für außergewöhnliche Gehbehinderung, »Bl« für Blindheit oder »H« für Hilflosigkeit enthält, und für Pflegebedürftige mit Pflegestufe 4 oder 5. Sollten Fahrten mit einem Krankenwagen erforderlich sein, müsse man sich dies vorher genehmigen lassen. Was die Taxirechnung der Skupins betrifft, sagt Wehry: »Leider sehe ich keine Möglichkeit der Kostenerstattung.«

Das ist für Günter Skupin ärgerlich. Es ärgert auch den Landtagsabgeordneten Ronny Kretschmer (Linke). Er findet, in solchen Fällen müssten die Kassenärztliche Vereinigung oder das Gesundheitsministerium kulant sein und die Rechnung bezahlen. »Die Leute können doch nichts dafür«, sagt er. Die oppositionelle Linksfraktion schlägt schon seit Dezember vor, den Transport zu organisieren oder Taxigutscheine auszugeben. Am Donnerstag wurde ein diesbezüglicher Antrag der Partei im Landtag abgelehnt. Am Dienstag soll ein neues Impfzentrum in Luckenwalde eröffnet werden, am Mittwoch eins in Kyritz. Die Senioren müssen selbst zusehen, wie sie dorthin gelangen.

Am 29. Januar nachmittags - also einen Tag zu spät - haben die Skupins den Brief mit der Absage, datiert vom 22. Januar, dann doch noch vom Briefträger bekommen. Nachts hat Günter Skupin geträumt, dass er Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) fragt: »Wenn Sie schon nicht die politische Verantwortung übernehmen, geben Sie mir dann wenigstens meine 44,60 Euro?« Eine Antwort hat er in diesem Traum nicht erhalten.

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