- Wirtschaft und Umwelt
- Stellenabbau bei der Commerzbank
Profit statt Wachstum
Commerzbank streicht 10 000 Stellen und schließt jede zweite Filiale
Die größten Schweinereien soll man bekanntlich am Anfang begehen. Diese klassische Managementlehre, frei nach dem Philosophen Arthur Schopenhauer, beherzigt offenbar der neue Commerzbank-Chef Manfred Knof. Seit der Teilverstaatlichung im Jahr 2009 verfehlten alle Vorstände mehr oder weniger ihre Ziele. Nun reißt Knof das Steuer herum. Profit statt Wachstum, heißt die Devise des als »harten Sanierer« bekannten neuen Vorstandsvorsitzenden.
Der langjährigen Allianz-Manager ist offiziell erst seit dem 1. Januar in der Commerzbank tätig. Er plant, in allen Bereichen die Kosten erheblich zu reduzieren und die Profitabilität bis 2024 »deutlich zu erhöhen«, wie der Frankfurter MDax-Konzern Ende vergangener Woche mitteilte. Dabei stellt Knof künftig »konsequent Profitabilität vor Wachstum«. Im Zuge des Konzernumbaus sollen in erheblichem Umfang Stellen wegfallen. Knof will innerhalb von drei Jahren rund 10 000 von zuletzt 39 600 Vollzeitstellen streichen. In Deutschland betrifft dies jeden dritten Arbeitsplatz. »Solch ein massiver Stellenabbau ist in dieser Kürze nicht akzeptabel und eine Gefahr für die Stabilität der Bank«, sagt Stefan Wittmann, der für die Commerzbank zuständige Gewerkschaftssekretär bei Verdi.
Im Rahmen »umfassender Digitalisierung«, so Knof, werde die Bank ihr Filialnetz von derzeit 790 auf 450 Standorte verkleinern. Erst 2020 hatte die Commerzbank - wegen Corona - gut 200 Filialen dauerhaft geschlossen. Damit verabschiedet sich der Jurist von einem strategischen Ziel seines zurückgetretenen Vorgängers Martin Zielke.
Jahrelang hatte die Commerzbank an 1000 Standorten festgehalten. Derweil schloss die Konkurrenz, von den Sparkassen bis zur Deutschen Bank, massenhaft ihre Standorte. Allein seit 2017 ging die Zahl der Bankfilialen in Deutschland laut Bundesbank um rund 4000 auf unter 28 000 zurück. Einerseits gewann die Commerzbank durch ihr dichtes Filialnetz viele Kunden. Die Rede ist von einer Million. Anderseits gingen hohe Werbekosten ins Geld. Wer ein neues, kostenloses Girokonto eröffnete, erhielt 50 Euro Prämie.
Wie alle Geldinstitute leidet die Commerzbank unter einer abnehmenden Kundenfrequenz in den Filialen. Schon vor Corona zogen viele Verbraucher Online-Banking vor. Wie eine Studie der staatlichen Förderbank KfW jetzt zeigt, gilt das auch für Unternehmen. Digital feierte zwar die Tochtergesellschaft Comdirekt Erfolge, aber vor allem in Polen. Statt dem ursprünglich vorgesehen Verkauf, hat die Commerzbank im November ihre Online-Tochter übernommen und will sie nun besser in den Konzern integrieren. Auch dieser Strategiewechsel dürfte auf Knof zurückgehen, der bereits seit Sommer im Hintergrund die Fäden zieht. Damals hatte ihn der Aufsichtsrat für den Jahreswechsel berufen.
Der mit einem Anteil von fünf Prozent größte Aktionär, der US-Vermögensverwalter Cerberus, hatte im Sommer die eine zu niedrige Renditekritisiert und einen Strategiewechsel gefordert. Die Bundesregierung, die seit der Rettung der Commerzbank im Zuge der Finanzkrise mit derzeit über 15 Prozent der größte Aktionär ist, widersprach dem nicht. Jedenfalls nicht öffentlich.
Dabei dürfte eine Rolle gespielt haben, dass der Aktienkurs, der vor der Finanzkrise bei 175 Euro lag, nun bei fünf Euro herumdümpelt. Richtig Schwung verschaffte dem Kurs allerdings bislang auch die knofsche Radikalkur nicht.
Die längst geschrumpfte frühere Großbank hat eine bewegte jüngere Geschichte hinter sich. Die Globalisierung der Geldgeschäfte verlangte scheinbar nach immer stärkeren Instituten. 2008 übernahm die Commerzbank von der Allianz die weit größere Dresdner Bank - mitten in der Finanzkrise wurde daraus ein kostspieliges Debakel. Auch auf Kosten der Beschäftigten, deren Zahl damals noch bei 60 000 lag.
Die Niedrigzinsen, mit denen die Europäische Zentralbank auf die Krise reagierte, erschwerten fortan das lange erfolgreiche Kreditgeschäft. Die Konkurrenz durch Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken nimmt zu, weil diese ihrerseits in das lange den Großbanken vorbehaltene Geschäft mit Wertpapieren und Vermögensverwaltung eingestiegen sind. Und über das Internet dringen sogenannte Fintechs, wie der mittlerweile insolvente Zahlungsdienstleister Wirecard, in weitere angestammte Geschäftsfelder vor. Anderseits gilt die Commerzbank immer noch als führende Mittelstandskreditbank, welche die industriellen »Hidden Champions« in Deutschland bis nach China begleitet.
Was Zielke nicht gelang, will nun Knof erreichen: Bis 2024 soll die Eigenkapitalrendite auf 6,5 bis 7 Prozent steigen. Das wäre über dem langfristigen Durchschnitt der Branche, den die Bundesbank auf gut fünf Prozent beziffert. Nun ist »Kosten senken« noch keine Strategie. Aber da Knof die Erträge »weitgehend stabil« erwartet, könnte sich das Konzept rechnen. Für die Aktionäre. Details ihrer Pläne will die Commerzbank Mitte Februar vorstellen.
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