Obdach statt Abriss

Bezirk Mitte wehrt sich gegen Investorenpläne für die Habersaathstraße

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Rechtsstreit zwischen dem Bezirksamt Mitte und einem Immobilieninvestor über den Erhalt des Plattenbaus in der Habersaathstraße 40–48 haben sich die Fronten wieder verhärtet. Noch im Dezember schien es, als sei die Abrissgenehmigung des ehemaligen Schwesternheims der Charité gegenüber dem Bundesnachrichtendienst nur mehr eine Frage der Zeit, da die Arcadia Estates in zentralen Punkten eingelenkt hatte.

Die Immobilienfirma versucht seit 2018, den Abriss des fünfstöckigen Plattenriegels bewilligt zu bekommen, um dort Luxusbauten zu errichten. Den Altmieter*innen wurde gekündigt, einige verließen das Haus. Das Bezirksamt versagte jedoch die Genehmigung, da es das Gebäude als »schützenswerten Wohnraum« ansieht. Das Zweckentfremdungsverbot regelt, dass in diesem Fall bei Abriss angemessener Ersatzwohnraum zu maximal 7,92 Euro nettokalt pro Quadratmeter geschaffen werden muss. Den schützenswerten Status von Wohnungen in der Habersaathstraße hatte der Vermieter erst Ende des letzten Jahres eingeräumt.

»Die Zugeständnisse des Eigentümers liegen unter den Erwartungen«, erklärte die zuständige Bezirksstadträtin Ramona Reiser (Linke) vergangenen Donnerstag auf der Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte. In drei Verhandlungsrunden habe man sich mit dem Unternehmen nicht einigen können. So solle nur ein geringer Teil der Wohnungen im Neubau zu günstigen Konditionen entstehen und auch das nur unter der Maßgabe, dass die Mietobergrenze keinen Bestand mehr habe. Derzeit liegt diese vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG), nachdem das Verwaltungsgericht sie in einem anderen Fall von Zweckentfremdung nicht anerkannt hatte. Das Unternehmen habe zudem deutlich gemacht, dass sich ein Neubau zu 7,92 Euro nicht wirtschaftlich darstellen ließe, erklärte Reiser gegenüber »nd«. Im Bezirksamt stellt man sich daher nun auf eine weitere Runde im Prozess ein. Die Entscheidung, den Vergleich nicht einzugehen, hab Sie nun an das Gericht weitergeleitet, so Reiser.

Rückendeckung erhält sie dabei von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Die hat zugesichert, dem Bezirksamt im Falle einer Berufung vor dem OVG finanziell unter die Arme zu greifen. Auch die BVV unterstützt das Vorhaben und beschloss einen gemeinsam von der Linksfraktion und den Grünen eingebrachten Antrag, der Ersatzwohnraum für alle 106 Wohneinheiten fordert. Sofern kein Vergleich mit diesem Inhalt zu erreichen sei, solle »die von der Eigentümerin beantragte Genehmigung für Zweckentfremdung nur auf höchstrichterliche Entscheidung hin genehmigt werden«, heißt es in dem Beschluss, der – wie alle BVV-Beschlüsse – nur empfehlenden Charakter hat.

Für die acht verbliebenen Mietparteien hat das Unternehmen Abfindungen in Höhe von 800 bis 1000 Euro pro Quadratmeter angeboten. Ein Vergleich mit dem Vermieter ist für sie keine Option. Einerseits aufgrund der unbefristeten Werksmietverträge, die Warmmieten von 3,50 bis 5,50 Euro beinhalten. Dazu kommt die politische Signalwirkung, wie Daniel Diekmann, Vorsitzender des Mieterbeirates, dem »nd« erläutert. »Wenn man hier fünf Neubauten abreißt, die erst 2007 bis 2008 energetisch saniert wurden, dann gibt es für Investoren kein Halten mehr.« Die Präzedenz des Falles habe nun offenbar auch die Politik verstanden, meint Diekmann.

Trotz des kämpferischen Auftretens vonseiten des Bezirksamtes und der BVV bleiben die Stadtaktivist*innen der Initiative »Leerstand Hab-ich-Saath«, die zeitgleich zur BVV-Sitzung vor dem Rathaus Mitte eine Kundgebung abhielten, skeptisch. Bereits im vergangenen Jahr habe sich die BVV für den Erhalt des Wohnraumes und die Beschlagnahme ausgesprochen, ohne dass Taten gefolgt wären, heißt es dazu in einer Erklärung. Im Oktober hatten Obdachlose und Stadtaktivist*innen mit einer Besetzung auf den Leerstand in der Habersaathstraße hingewiesen (»nd« berichtete). »Wir fordern vom Bezirk, dass er sich klar gegen den Abriss stellt und alle Mittel einlegt, die er zur Verfügung hat, sowie das Zweckentfremdungsverbot endlich ernst nimmt. Der vorhandene und bezahlbare Wohnraum muss wohnungs- und obdachlosen Menschen zur Verfügung gestellt werden, die ihn dringend brauchen«, kommentierte die Sprecherin Valentina Hauser.

Der Eigentümer hatte sich unabhängig vom Zustandekommen eines Vergleiches bereiterklärt, in dem Gebäude Kältehilfeplätze zu schaffen. Auf »nd«-Anfrage erklärte er, dass der Arbeiter-Samariter-Bund bereits eine Prüfung des Gebäudes vorgenommen habe und in Abstimmung mit dem Bezirksamt ein Konzept erarbeite. Aufgrund fehlenden Brandschutzes in den oberen Stockwerken gehe man von etwa 30 Plätzen aus.

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