Der BER muss sich durch die Krise sparen

Fughafengesellschaft büßt 83 Millionen Passagiere bis 2025 ein - Unternehmen streicht 80 Prozent der geplanten Investitionen

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg (FBB) erlebt seit dem erfolgreichen Start des Hauptstadtairports BER am 31. Oktober 2020 einen nie dagewesenen Einbruch des weltweiten Luftverkehrs. Aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie rechnet die Geschäftsführung damit, dass der Flughafenbetrieb kaum vor 2024/2025 wieder das Vorkrisen-Niveau von 2019 erreicht. Über die Folgen und darüber, welche Konsequenzen das Unternehmen daraus entwickeln wird, standen führende Vertreter von Geschäftsführung und Aufsichtsrat der FBB am Montagnachmittag Rede und Antwort im BER-Sonderausschuss des Landtages in Potsdam. Sie informierten zudem über die Aufsichtsratssitzung, die sich in der Vorwoche mit der verkehrlichen und finanziellen Entwicklung des BER befasst hatte.

Von 35,6 Millionen Fluggästen, die die Berliner Flughäfen im Jahr 2019 abgefertigt haben, ist die Passagierzahl 2020 infolge des Ausbruchs der Coronakrise auf nur noch 9,1 Millionen abgestürzt. Wie BER-Chef Engelbert Lütke Daldrup im Januar erklärt hatte, verbuche der Flughafen derzeit pro Tag Einnahmeverluste von rund einer Million Euro. Im Ausschuss fügte er auf Anfrage hinzu, dass ein wirtschaftlicher Betrieb des BER erst mit ungefähr 20 Millionen Fluggästen im Jahr zu realisieren sei. Nach den aus Sicht der FBB wahrscheinlichsten Annahmen gehe man für das laufende Jahr von 9,7 Millionen Fluggästen aus. Die verschiedenen in Abhängigkeit vom möglichen Infektions- und Impfgeschehen durchgerechneten Szenarien lassen für 2021 im schlechtesten Fall fünf Millionen Passagiere erwarten, im besten Fall 17,8 Millionen. Auch mit Blick auf die langjährige Perspektive korrigierte Lütke Daldrup die für den Willy-Brandt-Flughafen prognostizierten Zahlen nach unten. So rechne man am BER bis 2040 nur noch mit einem jährlichen Passagieraufkommen zwischen 40 und knapp 49 Millionen - ursprüngliche Berechnungen reichten bis zu 55,7 Millionen. Als Gründe nannte er unter anderem voraussichtliche Veränderungen im Reiseverhalten vor dem Hintergrund des rückläufigen Businessverkehrs, aber auch des Klimawandels.

660 Millionen Euro als Darlehen für 2021

Wie FBB-Aufsichtsratschef Rainer Bret᠆schneider betonte, werde der Hauptstadtflughafen angesichts der langsamen Erholung des weltweiten und auch innereuropäischen Flugverkehrs bis 2025 insgesamt rund 83 Millionen Fluggäste weniger als ursprünglich angenommen haben. »Die Prognose der Passagierzahlen ist unmittelbar verbunden mit der Prognose, wie es mit der Pandemie weitergeht. Wann gibt es einen Impfstoff in größeren Mengen, wann ist der auch in größeren Mengen verteilt und verimpft? Und wie reagieren die Staaten weltweit mit ihren Reiseregelungen?«

Bretschneider erwartet, dass die Flughafengesellschaft mit den von den Eigentümern - neben Brandenburg auch Berlin und der Bund - für dieses Jahr als Darlehen zugesagten 660 Millionen Euro auskommen und diese Summe möglicherweise auch nicht ausschöpfen wird. Sicher sei bereits jetzt, dass die FBB über das Jahr 2021 hinaus auch für 2022, 2023 und auch 2024 weitere finanzielle Mittel brauchen werde.

Das Gebot der Stunde lautet daher für die Betreibergesellschaft: Sparen und Kosten senken. »Das bedeutet, dass wir ausgabenseitig alles das versuchen einzusparen, zu reduzieren oder zu verschieben, damit wir unsere Gesellschafter nach Möglichkeit nicht belasten«, sagte Bretschneider. Der 72-Jährige kündigte bei dieser Gelegenheit an, dass er den Vorsitz des Aufsichtsrates zum 30. Juni abgeben und sich aus dem Gremium zurückziehen werde. Seine Nachfolge ist noch offen.

Lütke Daldrup kündigte an, dass die Flughafengesellschaft ihre »für die nächsten vier Jahre« geplanten Investitionen um rund 80 Prozent auf insgesamt 102 Millionen Euro zurückfahren werde. Dazu seien bis auf wenige Ausnahmen alle kapazitätserweiternden Baumaßnahmen zurückgestellt worden.

Um weitere erhebliche Einsparpotenziale zu erschließen, werde das nur schwach ausgelastete Terminal T5 (Schönefeld-Alt) zum 23. Februar für zunächst ein Jahr stillgelegt. »Für diese Maßnahme können wir - vom betrieblichen und Personalaufwand bis zu den Energiekosten - etwa 25 Millionen Euro im Jahr einsparen«, erklärte er. Auch das behördlich bereits abgenommene Terminal T2 gehe nicht vor dem zweiten Quartal 2022 in Betrieb. Ob sich eine neuerliche Inbetriebnahme der im Dezember stillgelegten Süd-Start- und Landebahn als notwendig erweist, werde derzeit im Monatsrhythmus geprüft.

Bis 2025 werde man im Zuge eines Personalumbaus über alle Unternehmensbereiche insgesamt 415 Stellen auf dann 1750 abbauen, so der Flughafenchef. Die Weiterführung der Kurzarbeit - im Januar waren davon 1600 Mitarbeiter betroffen - werde zu einer Einsparung von über 20 Millionen Euro im Jahr 2021 führen.

Wie Lütke Daldrup den Ausschussmitgliedern versicherte, wolle die Geschäftsführung dem Aufsichtsrat den Entwurf des Businessplanes für das laufende Jahr im Mai vorlegen. Diese hatten nach den Konsequenzen einer etwaigen Insolvenz des BER gefragt, wollen darüber jedoch auf der Grundlage möglichst aktueller Daten diskutieren.

Zukunft des Sonderausschusses unklar

Auch über seine eigene Zukunft will der 2013 ins Leben gerufene BER-Sonderausschuss des Landtags beraten, lässt sich dafür nach Austausch gegensätzlicher Meinungen der Ausschussmitglieder bis zur nächsten Sitzung im März Zeit. Hintergrund waren Bestrebungen seitens der rot-schwarz-grünen Koalition, den Ausschuss zum Sommer auslaufen zu lassen. Dessen Vorsitzender Thomas von Gizycki (Grüne) hatte beispielsweise die Bearbeitung solcher nach der BER-Eröffnung verbleibender Probleme wie Finanzen oder Schallschutz künftig auch gut bei den entsprechenden Fachausschüssen aufgehoben gesehen. Dem hatte unter anderem die Linke-Abgeordnete Marlen Block widersprochen. »Ich glaube, dass das jetzt ein falsches Zeichen wäre, nach der Eröffnung und mit den vielen negativen Nachrichten diesen Sonderausschuss abzuschließen«, sagte sie. Auch Matthias Stefke aus der Fraktion BVG/Freie Wähler sprach sich gegen ein baldiges Ende des Ausschusses aus.

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