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Kommunalpolitik findet online oft nicht statt

Videoübertragungen sind auch Monate nach Beginn der Pandemie in Kommunen kein Alltag

  • Hans-Gerd Öfinger
  • Lesedauer: 4 Min.

Mehr als je zuvor sind in den vergangenen Monaten bundesweit zahlreiche Sitzungen von demokratisch gewählten kommunalen Gremien ersatzlos ausgefallen. »Wegen Corona«, so lautet meistens die Begründung, wenn eine Stadt- oder Gemeindeverwaltung eine in der Jahresplanung fest vorgemerkte Sitzung von Kommunalparlamenten, Ausschüssen oder Beiräten kurzerhand von der Tagesordnung streicht. Oder wenn Plenarsitzungen ausfallen und stattdessen kleine Ausschüsse faktisch alle Beschlüsse fassen.

Wozu ehrenamtliche Gremien wählen, wenn sie ohnehin laufend ausfallen? Diese Frage stellen sich viele kommunalpolitische Akteure und kritische Beobachter.

So will sich in der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden auch die Fraktion Die Linke im Ortsbeirat Westend/Bleichstraße nicht mehr damit abfinden, dass im vergangenen Jahr bereits zwei von sieben regulären Sitzungen des Gremiums kurzfristig ersatzlos abgeblasen wurden. »Bei aller gebotenen Rücksicht auf unsere Gesundheit darf dies nicht auf Dauer einreißen, weil sonst die demokratische Willensbildung und die vom Gremium ausgehende Kontrolle des Magistrats leiden würde«, so Ortsbeiratsmitglied Bernd Schmid. Er fordert, dass Sitzungen und Beschlussfassungen ab sofort auch per öffentlicher Videokonferenz übertragen werdensollen.

»Bundesparteitage finden digital statt und die Kanzlerin tagt seit März regelmäßig per Videoschalte mit EU-Regierungschefs und Ministerpräsidenten. Dann muss dies doch auch für einen kleinen 15-köpfigen Ortsbeirat möglich sein«, sagt Schmid und fordert die Stadtregierung in der Landeshauptstadt dazu auf, ab sofort die formalen und technischen Voraussetzungen zu schaffen.

Öffentliche Sitzungen per Video oder mit Hybridcharakter, also einer Mischung aus Präsenz und Videozuschaltung, könnten für Schmid auch die technische Basis für eine öffentliche Übertragung aller Tagungen sein. Diese Form von Transparenz und Offenheit sei längst überfällig, ist er überzeugt. In Hessen würden inzwischen nicht nur Landtagssitzungen im Internet übertragen. Auch in Rüsselsheim könne die Einwohnerschaft seit geraumer Zeit Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung mit Einverständnis der Stadtverordneten live über einen lokalen Radiosender verfolgen, argumentiert Schmid.

Doch in Wiesbaden tun sich die tonangebenden Politiker der amtierenden Rathauskooperation aus SPD, CDU und Grünen mit solchen Forderungen schwer. Hinter vorgehaltener Hand verweist man auf den benachbarten Landtag und die schwarz-grüne Landesregierung, die am Zuge sei mit einer Änderung der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) die rechtliche Grundlage für eine Beschlussfähigkeit per Fernschaltung und Video zu schaffen. Der Hessische Städtetag drängt nach Insiderangaben seit Monaten darauf, mit einer geringfügigen Änderung der HGO grünes Licht für Videokonferenzen und Livestreams zu geben. Dies wäre technisch auch binnen weniger Wochen möglich.

Doch die Blockierer sitzen dem Vernehmen nach im CDU-geführten Innenministerium, dessen Ressortchef Peter Beuth offenbar starke Bedenken hegt. Ein entsprechender Antrag der oppositionellen Linksfraktion wurde von der schwarz-grünen Landtagsmehrheit abgelehnt. »Auch die Grünen bremsen, weil einige nicht wollen, dass die Basis mitkriegt, wie sich ihre Vertreter in den Gremien verhalten«, so der Landtagsabgeordnete Hermann Schaus (Linke) gegenüber »nd«. Schaus erinnert daran, dass die einstige Ökopartei schon vor Jahren »aus Kostengründen« den Livestream der Landtagssitzungen gestoppt habe. Inzwischen wurde nach jahrelanger Abstinenz und starkem Druck immerhin wieder ein neuer Livestream eingerichtet.

200 Kilometer südlich von Wiesbaden teilt die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg solche Bedenken ihrer hessischen Parteikollegen gegen mehr Transparenz offenbar nicht. Hier hat der Landtag schon im vergangenen Mai per Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung die Basis für kommunale Gremiensitzungen als Schaltkonferenz mit Übertragung in den Ratssaal gelegt. Sitzungen können wie im hessischen Rüsselsheim auch im Südwesten im Internet übertragen werden.

In Brandenburg gehören Videokonferenzen inzwischen ebenfalls zum Alltag kommunaler Gremien. So fasste der Ortsbeirat von Schildow in der Gemeinde Mühlenbecker Land (Kreis Oberhavel) dieser Tage in einer Hybrid-Sitzung seine Beschlüsse. Ein Gremienmitglied war zugeschaltet. Die anderen Mitglieder saßen mit Abstand im Sitzungssaal und die Öffentlichkeit konnte alles auch im Internet verfolgen. Ein von der Gemeinde abgestellter IT-Mitarbeiter behielt nach Angaben der Kommune den Videostream im Blick, um auftretende Probleme schnell und vor Ort zu lösen. Auch in der Kreisstadt Oranienburg werden nach Angaben der Stadtverwaltung Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung sowie auch einige Ausschusssitzungen live auf der Internetseite der Kommune übertragen.

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