Portugal steht mitten in der dritten Coronawelle

Bundeswehr bricht am Mittwoch zu Hilfseinsatz auf

  • Lesedauer: 3 Min.

Lissabon. Als sich vor Lissabons größtem Krankenhaus die Krankenwagen mit Covid-19-Patienten stauten, weil die Klinik völlig überfüllt war, wusste die portugiesische Regierung sich nicht mehr anders zu helfen, als um internationale Hilfe zu bitten. Deutschland sprang dem südeuropäischen Land bei, am Mittwoch bricht die Bundeswehr zu einem Hilfseinsatz auf. Ein 26-köpfiges Team aus Ärzten, Pflegefachkräften und Hygiene-Experten wird nach Lissabon entsandt - und mit ihnen 50 Beatmungsgeräte und jeweils 150 Infusionsgeräte und Krankenbetten.

Durch die erste Welle der Corona-Pandemie war das kleine Land relativ glimpflich gekommen, doch die dritte Welle trifft es nun mit voller Wucht. Lässt man Kleinststaaten außen vor, ist Portugal mit seinen zehn Millionen Einwohnern inzwischen das am stärksten von der Pandemie betroffene Land der Welt hinsichtlich der Zahl der Todesfälle und Neuinfektionen pro Kopf.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Seit Beginn der Pandemie starben dort insgesamt mehr als 13.000 Menschen nach einer Corona-Infektion, fast die Hälfte davon im Januar. Regierungschef António Costa sprach von einem »gigantischen Druck«, der auf den Krankenhäusern laste. Auch Österreich und das Nachbarland Spanien haben angeboten, Intensivpatienten aus Portugal aufzunehmen.

Im Hospital de Santa Maria in Lissabon, einem der größten Krankenhäuser des Landes, sind derzeit 333 der 350 für Corona-Patienten vorgesehenen Betten belegt - auf der Intensivstation sind nur noch sechs Plätze frei.

In einem Krankenhaus, das im Einzugsgebiet der Lissabonner Vororte Amadora und Sintra liegt, ist die Lage seit einem Zwischenfall vergangene Woche besonders angespannt. Als im Sauerstoffnetz des Krankenhauses wegen Überlastung ein Problem mit dem Druck auftrat, sei Chaos ausgebrochen, hieß es aus Kreisen des Hospitals.

Zu dem Zeitpunkt wurde eine Rekordzahl von 363 Covid-19-Patienten dort behandelt - drei Mal so viele wie das Krankenhaus eigentlich aufnehmen kann. Rund 150 Patienten mussten mit tragbaren Sauerstoffflaschen beatmet werden, mehr als 100 weitere wurden rasch in andere, ebenso überfüllte Krankenhäuser verlegt. Landesweit liegen derzeit rund 6700 Menschen im Krankenhaus, davon etwa 850 auf der Intensivstation.

Nachdem Portugal die erste Corona-Welle vergleichsweise gut überstanden hatte, verhängte die Regierung lediglich Teil-Lockdowns. Als die Corona-Beschränkungen zu Weihnachten noch mal gelockert wurden und sich die deutlich ansteckendere britische Virusvariante im Land ausbreitete, stiegen die Fallzahlen explosionsartig an.

Mitte Januar reagierte die Regierung und verhängte einen strikten Lockdown. Zu spät, aus Sicht des Virologen Pedro Simas vom Institut für molekulare Medizin in Lissabon. »Der strenge Lockown hätte schon vor Weihnachten beginnen müssen, so wie in anderen Ländern«, sagt er. Portugal sei von der dritten Welle getroffen worden, als es fast noch in der zweiten Welle steckte und die Ansteckungszahlen viel zu hoch gewesen seien.

Nun sei es »das am schlimmsten betroffene Land der Welt, aber wir sehen bereits erste positive Anzeichen«, sagt Simas. »Die Zahl der täglichen Neuinfektionen stabilisiert sich.« Zudem sei ein rückläufiger Trend zu erkennen. Auch andere Experten berichten, einige Regionen Portugals hätten den Höhepunkt der dritten Welle erreicht - in den kommenden Tagen dürfte dies nach Expertenmeinung auch für die Region Lissabon eintreten.

Am Dienstag meldeten die Gesundheitsbehörden den zweiten Tag in Folge landesweit weniger als 6000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden - seit Anfang Januar hatten die Zahlen immer deutlich darüber gelegen. AFP/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.