• Politik
  • Wegen unveröffentlichtem Missbrauchsgutachten

Scharfe Kritik an Kardinal Woelki

Das unabhängige Papier unter Verschluss zu halten ist laut zuständigem Gutachter Ullrich Wastl ein »Gewaltangriff«

  • Lesedauer: 2 Min.

Hamburg. In der Affäre um ein unter Verschluss gehaltenes Gutachten zum sexuellen Missbrauch im Erzbistum Köln hat die für das Papier verantwortliche Kanzlei den Kardinal Rainer Maria Woelki scharf kritisiert. Das Gutachten unter Verschluss zu halten, sei ein »Gewaltangriff«, sagte der Münchner Rechtsanwalt Ulrich Wastl der »Zeit«-Beilage »Christ & Welt« laut Vorabmeldung vom Mittwoch. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann zeigte sich besorgt über Vorgänge in Köln.

Ein »derartiges Verhalten« habe seine Kanzlei noch nicht erlebt, sagte Wastl im Interview. »Kardinal Woelki soll das Gutachten veröffentlichen, dann kann sich jeder ein Bild machen.« Transparenz sei die Grundlage dafür, dass Missbrauchsopfer und Kirche »endlich dieses Thema bewältigen«. Viele der Betroffenen könnten nur durch die Nennung von Verantwortlichen Ruhe finden.

Den Vorwurf, dass das Gutachten angeblich äußerungsrechtliche und methodische Mängel enthalte, wies der Anwalt zurück. »Wir haben nicht gepfuscht«, sagte er. Von vermeintlichen Fehlern habe die Kanzlei erst aus einer Pressemitteilung des Erzbistums erfahren. »Mit uns hat nämlich seit Mitte März 2020 niemand mehr persönlich über die Sache gesprochen«, sagte Wastl.

Woelki hatte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl 2018 mit einem unabhängigen Gutachten zu Missbrauch im Erzbistum Köln beauftragt. Im vergangenen Jahr sollte es veröffentlicht werden. Bis heute hält Woelki die unabhängige Expertise zurück. Zwischenzeitlich soll der Erzbischof den Betroffenenbeirat seines Erzbistums gedrängt haben, das Gutachten zu diskreditieren. Mittlerweile hat Woelki ein neues Gutachten in Auftrag gegeben.

Auch in den eigenen Reihen nimmt die Kritik am Umgang mit dem Missbrauchsskandal in Köln zu. Der Trierer Bischof Ackermann, der gleichzeitig der kirchliche Missbrauchsbeauftragte ist, äußerte sich gegenüber dem »Trierischen Volksfreund« besorgt über die Vorgänge in Köln. Die Auseinandersetzungen um das Missbrauchsgutachten schürten in vielen Menschen Zweifel am ehrlichen Willen zur Aufarbeitung der deutschen Bistümer.

»Das schadet uns allen«, sagte Ackermann der Zeitung. Der Vorfall zeige, wie wichtig die von den deutschen Bischöfen und dem Beauftragten der Bundesregierung vereinbarten Kriterien und Standards für die Aufarbeitung seien. Nach Auffassung des Bischofs braucht es unabhängige Aufarbeitungskommissionen, die nicht nur mit Juristen, sondern auch mit unterschiedlichen Fachleuten und Betroffenen besetzt sind.

Woelki steht selbst unter Vertuschungsverdacht. Der Kardinal räumte ein, 2015 Missbrauchsvorwürfe gegen einen mittlerweile verstorbenen Priester nicht nach Rom weitergemeldet zu haben. Obwohl der Verdacht seit Wochen dem Vatikan vorliegt, äußerte sich Papst Franziskus noch nicht dazu. AFP/nd

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.