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+++ Wenig Hoffnung auf schnelle Corona-Lockerungen - aber zu Ostern? +++

Der Newsblog zur Coronakrise - Sonntag, 7. Februar 2021: +++ Pathologe: Großteil der Corona-Toten an statt mit Covid gestorben +++ Gewerkschaft GEW dringt auf rasche Impfungen für Kita-Erzieher +++

  • Lesedauer: 10 Min.

Marx und Bedford-Strohm fordern mehr Druck bei Impfstoff-Produktion

München. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der katholische Kardinal Reinhard Marx fordern mehr staatlichen Druck bei der Herstellung eines Corona-Impfstoffes in Deutschland. Der Staat müsse dafür sorgen, dass möglichst viel Impfstoff produziert und möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht werde, sagte Bedford-Strohm in einem gemeinsamen Interview der beiden Kirchenvertreter der »Augsburger Allgemeinen«.

Der Münchner Kardinal Marx sagte der Zeitung, er hoffe, dass dies ohne Zwang funktioniere. »Aber wir müssen in der Frage, wie wir die Corona-Impfung schneller und gerechter vorantreiben, schon zu einer Lösung kommen.« Zur Not und mit guter Begründung könnte der Staat Hersteller um des Gemeinwohls Willen auch zur Impfstoffproduktion verpflichten. »Gegen Bezahlung, versteht sich«, so der langjährige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz weiter.

Heinrich Bedford-Strohm appellierte zudem an die gesellschaftliche Verantwortung der Pharmaindustrie. »Es darf jedenfalls nicht sein, dass privater Profit gemacht wird - auch noch staatlich gefördert -, aber keine soziale Verantwortung übernommen wird«, sagte der bayerische Landesbischof.

+++ Mehrheit unterstützt Corona-Massnahmen +++

Berlin. Vor den Beratungen von Bund und Ländern am Mittwoch sind keine großen Lockerungen der Corona-Regeln in Sicht. Mehrere Politiker mahnten am Wochenende angesichts der Ausbreitung von Mutationen des Coronavirus noch einmal zu größter Vorsicht. Nach einer neuen Umfrage ist auch jeder zweite Deutsche gegen eine Lockerung des Lockdowns. Unterdessen haben erste Bundesländer Lieferungen des Corona-Impfstoffs des britisch-schwedischen Herstellers Astrazeneca erhalten. Damit ist bald ein dritter Impfstoff im Einsatz - neben denen von Biontech/Pfizer und Moderna.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der »Bild am Sonntag«: »Wir dürfen uns nicht öffentlich mit Lockerungs-Fahrplänen überbieten.« Die Zahl der Neuinfektionen sei derzeit kaum niedriger als Ende Oktober, als der Lockdown begann. Aber Altmaier versuchte, Hoffnungen zu machen: »Ich hoffe sehr, dass wir spätestens zum Frühlingsanfang, spätestens an Ostern, wenn die Sonne scheint und man draußen sitzen und speisen kann, die Pandemie-Welle endgültig gebrochen haben und Öffnungen möglich sind.« Er plädierte für ein regionales Vorgehen, je nach Höhe der regionalen Infektionszahlen.

Der Lockdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist bislang bis zum 14. Februar befristet. Am Mittwoch wollen der Bund und die Bundesländer bei einer Schalte mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beraten, wie es dann weitergeht.

Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 8616 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages. Außerdem wurden 231 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie aus Zahlen des RKI vom Sonntag hervorgeht. Vor genau einer Woche hatte das RKI 11 192 Neuinfektionen und 399 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) lag laut RKI am Sonntagmorgen bei 75,6.

Grafiken: Die aktuellen Covid19-Zahlen für Deutschland

Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sind 37 Prozent der Bürger für eine Verlängerung der bisherigen Einschränkungen über den 14. Februar hinaus, weitere 13 Prozent sind sogar für eine Verschärfung. Dagegen sind 30 Prozent für eine Lockerung und 13 Prozent für eine komplette Rückkehr zur Normalität. 7 Prozent machten keine Angaben. Die Akzeptanz der ergriffenen Maßnahmen schwindet aber: Anfang Januar - vor der letzten Verlängerung des Lockdowns - waren noch fast zwei Drittel (65 Prozent) für eine Beibehaltung oder Verschärfung der Maßnahmen.

Mehrere Verbände und Gewerkschaften fordern Bund und Länder auf, bei ihren Beratungen einen einheitlichen Stufenplan mit verbindlichen Kriterien für Schulöffnungen zu verabschieden. Die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Susanne Lin-Klitzing, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag), es brauche bundesweit einheitliche Kriterien für stufenweise Schulöffnungen. Auch die Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, forderte einen bundesweit einheitlichen, verlässlichen Stufenplan. »Mit diesem hätten Länder, Kreise und Städte dann mit Blick auf das Infektionsgeschehen vor Ort die Möglichkeit, flexibel zu agieren. Das föderale Durcheinander muss endlich beendet werden.«

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hält eine Öffnung von Schulen vorerst nur in Ausnahmefällen für möglich. Eine flächendeckende Rückkehr zum Präsenzunterricht »dürfte momentan wegen der allgemeinen Infektionslage vermutlich noch verfrüht sein«, sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. »Vielleicht kann mit großer Vorsicht ein erster Schritt gegangen werden.«

Für Kitas und Schulen sind die Bundesländer selbst zuständig. Ein deutschlandweit einheitliches Vorgehen wird zwar immer wieder diskutiert, ist aber wegen der unterschiedlichen Interessen in den Ländern kaum durchsetzbar.

+++ Großteil der Toten an statt mit Covid gestorben +++

Kiel. Der Großteil der von Kieler Pathologen obduzierten Menschen, die sich vor ihrem Tod mit Corona infiziert hatten, ist tatsächlich an Covid-19 gestorben. »Bei 85 Prozent der Fälle konnten wir wirklich bestätigen, dass sie an Covid-19 verstorben sind«, sagte der Direktor des Instituts für Pathologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Christoph Röcken. In Kiel wurden bislang mehr als 50 Menschen im Alter von 53 bis über 90 Jahre obduziert, die sich vor ihrem Tod mit Sars-CoV-2 angesteckt hatten. Nur ein kleiner Teil sei mit statt an Covid-19 gestorben, sagte Röcken.

Röcken und sein Team obduzieren aktuell zusätzlich zu ihren anderen Aufgaben täglich zwei Menschen, die an oder mit Covid-19 gestorben sind. Ihr Ziel: Wissen sammeln über einen Erreger und eine Krankheit, die derzeit überall auf der Welt wüten. Die Ergebnisse werden im Rahmen einer bundesweiten Initiative von 34 Unikliniken systematisch zusammengetragen. In einem Obduktionsregister werden die Daten aus ganz Deutschland gesammelt und ausgewertet sowie Gewebeproben von an Covid-19 Verstorbenen aufbewahrt.

Bislang liegen bundesweite Daten aus dem Obduktionsregister noch nicht vor. Aber er höre von anderen Pathologen bundesweit, dass diese zu ähnlichen Ergebnissen kämen, sagte Röcken. Das Robert Koch-Institut verzeichnete bislang mehr als 60.000 Corona-Todesfälle. In die Statistik gehen dabei sowohl Menschen ein, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind, also auch solche mit Vorerkrankungen, bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war.

+++ Steinmeier plant zentrale Gedenkfeier am 18. April +++

Berlin. Die von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angekündigte zentrale Gedenkfeier für die Toten der Corona-Pandemie soll am 18. April stattfinden. Steinmeier sagte der Düsseldorfer »Rheinischen Post«, neben Hinterbliebenen der Toten solle die gesamte Staatsspitze an der Gedenkfeier teilnehmen. Das Ziel sei, als Gesellschaft innezuhalten, den Hinterbliebenen eine Stimme zu geben und in Würde Abschied von den Toten zu nehmen.

»Wegen Corona kann leider nur eine begrenzte Anzahl von Teilnehmern dabei sein, und viele Planungen bleiben unsicher«, sagte Steinmeier, der eine Live-Übertragung der Gedenkfeier ankündigte. Der Bundespräsident hatte im Januar bereits die Aktion »Lichtfenster« initiiert, bei der die Menschen im Gedenken an die Corona-Toten eine Kerze ins Fenster stellen sollen. »Über dieses stille Symbol hinaus brauchen wir eine angemessene Form des öffentlichen Gedenkens«, sagte Steinmeier.

Nötig sei es, nun auch die Folgen der Pandemie stärker in den Blick zu nehmen. »Corona trifft alle, aber eben nicht alle gleich«, sagte Steinmeier. »Das Virus werden wir besiegen, aber die sozialen und wirtschaftlichen Folgen werden uns lange begleiten. Darüber spreche ich zurzeit mit den Sozialpartnern. Und das bleibt Aufgabe künftiger Politik: wirtschaftliche Stärke wiederzugewinnen und soziale Balance zu wahren.«

Der Bundespräsident forderte auch eine stärkere Digitalisierung der Verwaltung und der Schulen. »Die Pandemie legt wie unter einem Brennglas schonungslos offen, wo unsere Defizite liegen«, sagte Steinmeier. »Im Digitalen haben wir erheblichen Nachholbedarf in der Verwaltung, aber auch im Bereich von Schule und Bildung. Das muss dringend aufgearbeitet werden.«

+++ Gewerkschaft GEW für rasche Impfungen für Kita-Erzieher +++

Berlin. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dringt auf rasche Corona-Impfungen für rund 33.000 Erzieher in den Berliner Kitas. »Wir setzen uns daher dafür ein, dass Erzieherinnen und Erzieher bei der Impfung priorisiert werden«, sagte die GEW-Landesvorsitzende Doreen Siebernik der Deutschen Presse-Agentur. »Es geht hier nicht nur um den Schutz der Kolleginnen und Kollegen selbst, sondern auch darum, Infektionsketten in den Einrichtungen zu unterbinden.«

Siebernik verwies auf eine Studie der AOK, wonach Erzieher besonders in der Pandemie besonders gefährdet sind. »Der Beruf des Erziehers beziehungsweise der Erzieherin steht auf Platz 1 der Liste der in Corona-Zeiten gefährlichsten Berufe«, sagte sie. »Keine andere Berufsgruppe war zwischen März und Oktober 2020 so häufig wegen einer Covid-19-Infektion krankgeschrieben.«

Momentan werden Menschen über 80, Pflegeheimbewohner sowie Pflegekräfte und medizinisches Personal in Krankenhäusern geimpft. Sie haben »höchste Priorität«. Der nächsten Gruppe mit »hoher Priorität« gehören unter anderem über 70-Jährige, niedergelassene Ärzte und Polizisten an.

Über die Reihenfolge der Impfungen entscheidet der Bund auf Empfehlung der Ständigen Impfkommission. Erzieher oder Lehrer sind derzeit in einer dritten Gruppe mit »erhöhter Priorität« aufgeführt und somit angesichts knapper Impfstoffmengen absehbar noch länger nicht dran.

Vor kurzem hatten 13.000 Berliner Erzieher innerhalb kurzer Zeit einen »Brandbrief« unterzeichnet, in dem die GEW den Senat auffordert, mehr für den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu tun. Zu den Forderungen zählen auch mindestens zwei FFP2-Masken pro Tag für jeden Beschäftigten, Schnelltests, Luftfilteranlagen für alle Einrichtungen und die Anerkennung der Folgen einer Infektion mit Covid-19 als Berufskrankheit.

GEW-Chefin Siebernik wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass das Land Berlin im Herbst 45 Millionen Euro bewilligt habe, damit Kita-Träger besonders gefährdeten Kindern und Erziehern aus Risikogruppen besondere Betreuungsangebote machen können. »Das können kleinere Gruppen oder feste Gruppen für besonders gefährdete Kinder sein, das kann eine aufsuchende Betreuung sein«, erläuterte sie. Erziehern könne ermöglicht werden, zu Hause zu bleiben.

Eigentlich eine gute Sache, so Siebernik, aber: »Leider kann das Geld bis heute von den Trägern nicht abgerufen werden, weil die Senatsverwaltung immer noch nicht das nötige Antragsformular bereitgestellt hat.«

+++ Biontech: Mehr Geld für schnellere Impfstoffherstellung +++

Mainz. Dem Mainzer Hersteller Biontech würde nach eigenen Angaben mehr staatliches Geld nützen, um die Produktionskapazitäten für den Corona-Impfstoff auszubauen. »Im vergangenen Jahr hätte uns mehr Geld nicht geholfen, weil wir den Produktionsprozess im großen Maßstab erst sicher aufstellen mussten«, sagte Finanzvorstand Sierk Poetting dem »Spiegel«. »Jetzt aber würde Geld helfen. Erst recht, wenn wir für nächstes Jahr eine Kapazität von drei Milliarden Dosen antizipieren sollen, wie es diese Woche bereits angefragt wurde.«

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Biontech hat auf dem Impfgipfel einen möglichen Finanzbedarf von bis zu 400 Millionen Euro für die Reservierung von Kapazitäten und Rohstoffen bis in das nächste Jahr hinein dargelegt. Wir sind im Austausch mit dem Unternehmen, um dies weiter zu konkretisieren.« Darüber spreche man auch mit anderen Herstellern von Impfstoff. »Wir wollen für den Fall problematischer Mutationen oder notwendiger Auffrisch-Impfungen auch für 2022 ausreichend Kapazität für Deutschland, Europa und die Welt sichern.«

Ein Regierungssprecher sagte der dpa: »Wir werden alles Notwendige zur Unterstützung tun.« Finanzminister Olaf Scholz (SPD) äußerte sich im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag) ähnlich: »Am Geld wird die schnellere Beschaffung von Impfstoff jedenfalls nicht scheitern.«

Poetting geht davon aus, dass der Bedarf an Impfstoff weiter steigen wird. »Es gibt unterversorgte Länder, es könnte eine dritte Impfdosis gegen mutierte Varianten des Virus notwendig werden, oder es könnten sich ganz neue Mutationen entwickeln. Deswegen arbeiten wir daran, weitere Standorte auszubauen und neue Partner in unser Netzwerk zu nehmen«, sagte er.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte angesichts der Lieferengpässe bei Corona-Impfstoffen für die Bereitstellung weiterer EU-Mittel geworben. Als Beispiel wurden zusätzliche Investitionen in den Ausbau oder die Umwidmung von Produktionsstätten genannt. Poetting sagte dem Magazin dazu: »Den Vorschlag müsste man prüfen. Er könnte idealerweise dazu führen, dass mittelfristig Kapazitäten erhöht werden könnten.« Agenturen/nd

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