Im Lockdown bleiben oder raus - und wenn ja, wie schnell?

Fraktionen des Landtags streiten über die nächsten Maßnahmen

  • Wilfried Neisse, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Lockerungen bei den Corona-Restriktionen? Und wenn ja, welche - und wie? Die Linke im Landtag beharrt weiter darauf, alle diesbezüglichen Entscheidungen dadurch zu qualifizieren, dass die Politik sich in einem Corona-Beirat verschiedene Meinungen anhört und Szenarien darlegen lässt. Gleichzeitig plädieren die Regierungsfraktionen gegen weitere »Arbeitskreise«.

Während SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke kürzlich noch Lockerungsdebatten abgelehnt habe, würden jene nun bereits von SPD-Fraktionschef Erik Stohn und CDU-Fraktionschef Jan Redmann geführt, kritisierte am Dienstag Linksfraktionschef Sebastian Walter und zeigte sich darüber »entsetzt«. Es gehe nicht darum, das Coronavirus zu verwirren - vielmehr müsse es bekämpft werden. Er nehme zur Kenntnis, dass die Landesregierung nun die über 80-Jährigen wegen ihrer Impftermine anschreiben wolle und damit eine Forderung der Linken erfülle, sagte Walter. Wenn nun aber ein Wettbewerb ausbreche, welche Partei als erste Gaststätten und Friseursalons öffne, dann diene das nicht der Vertrauensbildung in der Bevölkerung. Eine unüberlegte Aussetzung der Schutzmaßnahmen beschwöre die Gefahr herauf, »dass wir von Lockdown zu Lockdown pendeln«, erklärte Walter. »Endlich« solle die Landesregierung ihre Verantwortung für Lehrer und Erzieher nachkommen und ihnen genügend Schutzmasken zur Verfügung stellen. Mit Blick auf das Winterwetter sei es erforderlich, den Transport älterer Menschen in die Impfzentren zu organisieren und sich nicht auf das Ehrenamt und die Nachbarschaftshilfe zu verlassen.

Die Linke hat auch verlangt, Ministerpräsident Woidke solle bei der Sondersitzung des Landtags am Donnerstag nicht nur Bundesrats- oder Regierungsbeschlüsse referieren, sondern wie andere Bundesländer mit einem eigenen Stufenplan den Einwohnern eine Perspektive geben.

Jetzt weitere »Arbeitskreise« zu bilden, bezeichnete CDU-Fraktionschef Jan Redmann als unnütz. Bezogen auf die Forderung nach einem Corona-Beirat lägen alle Argumente auf dem Tisch, und wenn die Linken diese Forderung wieder und wieder wiederhole, zeuge das »von einer gewissen inhaltlichen Leere«. Wenn der Ministerpräsident angesichts hoher Ansteckungszahlen Lockerungen ausgeschlossen habe und nun angesichts sinkender Infektionen Lockerungen für März in Aussicht stelle, sei das kein Widerspruch. Die Politik müsse die Situation von Tag zu Tag neu bewerten. Ausdrücklich begrüßte Redmann die Ankündigung, Grundschulen noch im Februar zu öffnen. Die Erstklässler hätte im laufenden Schuljahr die Schulen praktisch noch gar nicht von innen gesehen. Viele Schüler würden die Angebote des Internet-Lernens überhaupt nicht wahrnehmen. Von einer radikalen Aussetzung aller Schutzmaßnahmen wollte Redmann indessen auch nichts wissen. Das zeige das Beispiel Irlands, wo ein solcher Schritt zu einem sprunghaften Anstieg der Infektionen geführt habe und die Lage nach kurzer Zeit die gleiche wie vorher gewesen sei.

Jetzt über Nacht wieder alle Schulen zu öffnen, »würde in ein Chaos führen«, meinte SPD-Fraktionschef Erik Stohn. Wenn nun die Landeshauptstadt Potsdam als erste weniger als 50 Neuansteckungen mit dem Virus je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen vorweisen könne, so bedeute das nichts anderes, als dass die Gesundheitsämter zur einer Nachverfolgung der Infektionsketten in der Lage seien. Wichtig sei dennoch für Kinder, die in ihrem eigenen Zeitempfinden leben, die »unglaublich langen« Pausen möglichst schnell zu beenden.

Die Freien Wähler haben ihren Dreistufenplan der Lockerungen vorgelegt. Wenn mit diesen ab März begonnen werde, wolle man sich um einige Tage nicht streiten, sagte Fraktionschef Péter Vida. Wenn aber bei der Sondersitzung nur verkündet werde, dass man Entscheidungen bis weit in den März vertagen wolle, werde seine Fraktion auf dem eigenen Vorschlag bestehen.

Zur Vorsicht riet dagegen Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. Mit einem an sich erfreulichen Rückgang der Ansteckungen um 30 Prozent sei Brandenburg noch nicht über dem Berg und liege immer noch über dem Bundesdurchschnitt. Auf der anderen Seite sei deutlich, wie fatal es sich für die Kinder auswirke, »wenn sie nicht zur Schule gehen«. Aktuell finde nur die Hälfte des Unterrichts statt - etwa ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler werde durch den Distanzunterricht überhaupt nicht erreicht.

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