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Leere statt Lehre

Weniger Ausbildungsplätze in der Pandemie - IHK Berlin sorgt sich um den Fachkräftenachwuchs

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ausbildung ist eine Investition in die Zukunft.« Und der Mangel an Fachkräften in vielen Bereichen der Berliner Wirtschaft bestehe ungeachtet der seit fast einem Jahr anhaltenden Corona-Pandemie fort. Diese Mahnung stellte Beatrice Kramm, die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin, am Dienstag fast ans Ende der Online-Pressekonferenz zur Entwicklung der Ausbildungszahlen in Pandemiezeiten. Denn die Bilanz, die sie mit Blick auf das Corona-Jahr 2020 präsentierte, zeugt von Licht und Schatten: Die Zahl neuer Lehrstellen nahm deutlich ab. Zugrunde liegt dieser Einschätzung die Auswertung der internen IHK-Ausbildungsstatistik für 2020.

Dem Zahlenwerk ist zu entnehmen, dass sich die bestehenden Ausbildungsverträge im ersten Krisenjahr als »besonders robust« erwiesen haben. Mit insgesamt 2768 Vertragsauflösungen über alle Lehrjahre (insgesamt nur 11,8 Prozent) registrierte die IHK 2020 sogar ein Fünf-Jahres-Tief. Und die Quote derer, die ihre Ausbildung bestanden haben, lag mit 83 Prozent bei den kaufmännischen Berufen beziehungsweise 82 Prozent bei den gewerblich technischen Berufen nur wenig unter der Besteherquote der Vorjahre.

Licht und Schatten beim Fachkräftenachwuchs

Die Anzahl der Ausbildungsbetriebe im Bereich der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin ist im Krisenjahr 2020 nur relativ leicht auf 5349 gesunken. Im Vorjahr lag die Zahl auf einem Höchstwert von 5529, im Jahr 2016 noch bei 4919.

Zum Ausbildungsstart 2020 wurden 13,2 Prozent weniger neue Ausbildungsstellen als im Jahr 2019 gemeldet, gab es darüber zugleich insgesamt auch 6,7 Prozent weniger Bewerber*innen.

Gegenüber 2019 blieben ein Viertel mehr neue Ausbildungsstellen (24,9 Prozent) unbesetzt, aber auch 4,1 Prozent der Bewerber*innen blieben am Ende unversorgt.

Den höchsten Rückgang an Verträgen gab es bei der Ausbildung als Fachkraft für Veranstaltungstechnik (minus 48,8 Prozent), gefolgt von Veranstaltungskaufleuten und Fachkräften für die Hotel-, Restaurant- und Tourismusbranche.

Die Top-5-IHK-Berufe mit den stärksten Vertragszuwächsen waren der Fahrbetriebsdienst im Personenverkehr der Eisenbahn (plus 44,6 Prozent), die Bereiche IT, Mediengestaltung sowie Kaufmann oder -frau in der Versicherungs- und der E-Commerce-Branche. tm

»Grundsätzlich gilt: Unternehmen setzen sich dafür ein, ihre eigenen Fachkräfte von morgen auszubilden«, sagte Kramm. Es gehe ihnen darum, jungen Menschen berufliche Anschlussperspektiven zu bieten und sich für sie als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren. Ungeachtet aller Unwägbarkeiten angesichts der Herausforderungen der Corona-Pandemie hätten sich die Berliner Unternehmen 2020 mit Erfolg darauf fokussiert, die bestehenden Ausbildungsverhältnisse zu sichern und sie zu einem guten Abschluss zu bringen.

Bestehende Ausbildungen sind robust

Hierin zeige sich eine gute Nachricht: »Eine Krise schweißt zusammen«, folgerte die IHK-Präsidentin angesichts der weitgehend robust gebliebenen Ausbildungsverhältnisse. Gerade bei den Vertragslösungen in der Probezeit, die den Unternehmen in der Vergangenheit so viele Sorgen bereiteten, habe man einen starken Rückgang erlebt. Und offenbar habe die staatliche Unterstützung für in Not geratene Betriebe selbst entgegen den Erwartungen der IHK dazu geführt, dass auch die Ausbildungsverhältnisse nicht gelöst wurden. Das zeuge davon, dass Unternehmen weiterhin optimistisch in die Zukunft sehen und glauben, dass sie die vor der Krise eingegangenen Ausbildungsverträge weiter aufrechterhalten können.

Die Auswirkungen der Coronakrise treffen die Wirtschaftsbereiche in ganz unterschiedlichem Maße. Die IHK-Chefin sprach von einer deutlichen »Fragmentierung«, die neben Gewinnern auch klare Verlierer zeitige. Unter den Geschäftsbereichen, die weiter ums Überleben kämpften, hob sie die Hotels, die Gastronomie und die Veranstaltungstechnik hervor. Diese Branchen hätten »natürlich etwas damit zu tun, wie der Ausbildungsmarkt reagiert« hat. »Denn die Ausbildungsunternehmen, die in der Krise stark betroffen sind, müssen zuerst einmal kämpfen, um ihr Unternehmen zu erhalten. Und erst dann kämpfen sie um den Ausbildungsaufwuchs für die Fachkräfte von morgen«, so Kramm.

Nach IHK-Angaben haben viele Branchen auch 2020 ihr Ausbildungsniveau gehalten oder es sogar gesteigert. So lagen die Neuverträge im Einzelhandel in vielen Sparten trotz Lockdown auf Vorjahresniveau. In Berufen mit hohem Digitalisierungsgrad, bei Eisenbahnern im Personenverkehr (plus 45 Prozent), in der Versicherungsbranche (plus 16) und in der Lagerlogistik (plus drei) wurden sogar mehr Verträge geschlossen.

Die Spuren, die die Corona-Pandemie auf dem Ausbildungsmarkt hinterlassen hat, sind aus Sicht der IHK dennoch erheblich. Davon zeuge beispielsweise, dass die meisten Ausbildungsbetriebe zwar weiter ausbilden, allerdings Corona-bedingt nicht mehr so viele neue Plätze anbieten wie geplant. Deutlich weniger Ausbildungsverträge gebe es eben vor allem in der wiederholt besonders hart betroffenen Gastronomie oder in der Veranstaltungsbranche.

17,6 Prozent weniger Neuverträge

Andere Branchen bildeten dagegen erheblich mehr aus als 2019, könnten aber die Corona-bedingten Rückgänge in den Pandemie-betroffenen Branchen nicht vollständig kompensieren, so die IHK. Dies führe dazu, dass 2020 die Zahl der Neuverträge insgesamt um 17,6 Prozent gesunken ist. Nötig seien daher eine unbürokratische, zügige und bedarfsgerechte Unterstützung für krisenbetroffene Unternehmen, kreative Lösungen in der Prüfungsvorbereitung und die Verlängerung der bundesweiten Ausbildungsprämie. Für den Ausbildungsstart 2021 seien klare Perspektiven für die Wirtschaft, aber auch krisensichere Orientierung, Beratung und Vermittlung der Jugendlichen unabdingbar.

»Der Abschlussjahrgang 2021 darf der Ausbildung nicht verloren gehen«, so lautet die klare Forderung der IHK-Berlin an die Unternehmen, das Land Berlin und auch den Bund. Die Präsidentin versicherte ihrerseits: »Die IHK wird alles dafür tun, um im Jahr zwei der Pandemie die Zahl der Ausbildungsverträge wieder zu stabilisieren. Denn Ausbildung bedeutet Zukunftssicherung - für die Betriebe und die Azubis.«

An die Adresse der Bundesregierung gerichtet, erklärte Beatrice Kramm: »Der aktuelle Verlauf der Pandemie zeigt, dass diese Krise noch mindestens einige Monate anhalten wird. Und deshalb unsere dringliche Bitte: Halten sie an der Ausbildungsprämie fest. Das ist zwar nicht die einzige Maßnahme, aber sie ist eine Unterstützung für die Ausbildungsbetriebe und zeigt diesen Betrieben auch, dass es wichtig und wertvoll ist, dass sie an ihrer Ausbildungstätigkeit festhalten.«

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