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Hoffnung für die Jemeniten
Trotz Kurswechsel der neuen US-Regierung ist ein tragfähiger Frieden noch weit
Die humanitäre Notlage im Jemen könnte sich bessern, nachdem US-Präsident Joe Biden eine neue Politik angekündigt hat. »Wir hoffen, dass wir jetzt wenigstens wieder mehr Hilfslieferungen ins Land bekommen, und zwar schnell«, sagte erleichtert Stephanie Tremblay, Sprecherin der Vereinten Nationen in New York. Denn die dringend benötigten Güter lagern seit mehr als einem Monat vor allem im Hafen von Dschibuti-Stadt, auf der anderen Seite der Meerenge Bab Al-Mandab. Der Grund: Nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump im Dezember die Huthi-Milizen zur terroristischen Vereinigung erklärt hatte, sprangen Privatunternehmen aus Angst vor US-Sanktionen ab; auch war der Zahlungsverkehr mit den von den Huthi kontrollierten Gebieten stark eingeschränkt.
Nun soll sich wenigstens das ändern: Am Freitag hat Joe Biden dem Kongress mitgeteilt, dass er die Huthi, die sich selbst Ansarullah nennen, von der Terrorliste streicht; schon zuvor hatte er angekündigt, die Unterstützung der USA für den Krieg Saudi-Arabiens gegen die Huthi einzustellen. Was das in der Realität bedeutet, ist offen, denn gleichzeitig hieß es aus dem Weißen Haus, man werde Saudi-Arabien weiterhin bei der Selbstverteidigung helfen. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass die Geheimdienstkooperation eingestellt wird und die Unterstützung bei der Blockade der Häfen im Nord-Jemen. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass der Krieg bald endet: Die Huthi kontrollieren große Teile des Nord-Jemen rund um die Hauptstadt Sanaa und haben den Krieg mit der Regierung von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi begonnen, um eine Machtbeteiligung zu erzwingen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie von den iranischen Revolutionsgarden militärisch und finanziell unterstützt, auch wenn die Regierung in Teheran dies bestreitet. Heute mischen weitere Akteure in dem Konflikt mit, darunter Gruppen, die sich der Ideologie von Al-Kaida oder dem »Islamischen Staat« verschrieben haben. Rasant an Einfluss gewonnen hat eine Organisation namens »Südlicher Koordinierungsrat«, die Teile des Süd-Jemen unter Kontrolle gebracht hat: Sie erhält Unterstützung von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), die auch heute noch Teil der Kriegsallianz gegen die Huthi sind.
Die Nachrichten aus Washington haben dennoch die Diplomatie wieder in Gang gesetzt: Anfang der Woche reiste UN-Sondergesandter Martin Griffiths erstmals zu offiziellen Gesprächen nach Teheran. Auch Saudi-Arabien sucht einen Ausweg aus dem Krieg: Man kann ihn sich schlicht nicht mehr leisten. Ziel sei es, sagen Diplomaten der UNO, die Situation zu nutzen, um die Konfliktparteien erneut an den Verhandlungstisch zu bekommen und sie zu einer tragfähigen Vereinbarung zu bewegen. Sämtliche vorangegangenen Abkommen waren gescheitert, und auch jetzt ist die Skepsis groß: Schon kurz nach Bidens Ankündigung in der vergangenen Woche schoss das saudische Militär eine bewaffnete Drohne über dem eigenen Territorium ab; die Huthi starteten zudem eine Offensive in der Provinz Marib.
Saudi-Arabien könnte den Krieg auch ohne US-Unterstützung fortsetzen. Waffen im Wert von 27,4 Milliarden US-Dollar habe Trump in den ersten drei Jahren seiner Amtszeit an Saudi-Arabien verkauft, so ein Bericht der US-Organisation Security Assistance Monitor, darunter F15-Kampfflugzeuge und Präzisionsbomben. Zudem bildete das US-Militär Piloten der saudischen Luftwaffe aus. Diese drei Komponenten bilden das Rückgrat der saudischen Luftangriffe gegen Ziele in den Huthi-Gebieten des Nord-Jemen, auch wenn die Waffen selbst bis heute nicht vollständig ausgeliefert wurden.
In Hintergrundgesprächen berichten Abgeordnete und Mitarbeiter*innen von Pentagon und Weißem Haus, wie schwierig ein klarer Schnitt sei. Die Huthi finden auch unter der schiitischen Minderheit in Saudi-Arabien Zuspruch. Man befürchtet eine Destabilisierung des Königreichs, auch einen Krieg mit dem Iran. Zudem könnte sich Saudi-Arabien stärker an Russland oder China binden, wenn die USA auf Distanz gehen. Und durch die Meerenge zwischen Jemen und Dschibuti verläuft die Handelsroute vom Indischen Ozean über den Suezkanal ins Mittelmeer.
Eine echte Lösung hat derzeit niemand parat - auch nicht für die akuten Probleme im Jemen: Nicht nur konnte über gut sechs Wochen nur ein Teil der Hilfslieferungen in den Jemen verschifft werden. Durch die internationalen Reisebeschränkungen fehlt es auch an Personal im Land. Die Zahlungen der internationalen Gemeinschaft sind zudem seit Beginn der Pandemie stark gesunken.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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