Eine virtuelle Menschenkette

Dresdner Kulturinstitutionen erinnern kritisch an 13. Februar 1945

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Deutsche Hygiene-Museum in Dresden (DHMD) wird manchmal im Scherz »Museum vom Händewaschen« genannt; es geht auf eine Hygieneschau 1911 zurück, die ein Mundwasserfabrikant organisierte. In der NS-Zeit aber ging es in dem Haus weniger um Gesundheitserziehung, sagt Direktor Klaus Vogel; es war vielmehr die »zentrale Propagandastelle« für die Rassenlehre der Nazis, die »quasi-wissenschaftliche Unterstützung« für deren Euthanasiepolitik liefern sollte.

Das Museum erinnert an das düstere Kapitel in seiner Geschichte oft, besonders aber am 13. Februar, dem Jahrestag der Bombenangriffe im Jahr 1945 auf die Stadt, bei denen ihr Zentrum großflächig zerstört wurde und bis zu 25 000 Menschen starben. Neue Nazis nutzen das Datum, um die deutsche Kriegsschuld zu relativieren; sie sprechen von »Bombenholocaust«. Viele Bürger pflegten lange Zeit nur ein »stilles Gedenken« an die Opfer, ohne die Vorgeschichte der Angriffe zu reflektieren. Institutionen wie das DHMD setzen dem ein kritisches Erinnern entgegen: Das sei, sagt Vogel, »quasi in unsere DNA eingeschrieben«.

In diesem Jahr müssen für das Gedenken neue Formen gesucht werden. Diskussionsveranstaltungen sind wegen Corona ebenso unmöglich wie Stadtführungen. Die Initiative »Weltoffenes Dresden« (WOD), in der Kulturinstitutionen wie das DHMD für eine offene und tolerante Stadt werben, setzt deshalb auf Plakate, die von Künstlern gestaltet und teils mit Klang- oder Videoinstallationen ergänzt werden. Auf den Plakaten des Hygiene-Museums sind Gebäudesilhouetten mit offenen und geschlossenen Fenstern und einer Friedenstaube zu sehen, »sehr plakativ und sehr wirksam«, sagt Vogel. Die Philharmonie zeigt vor dem Kulturpalast Noten aus dem »Deutschen Requiem« von Johannes Brahms, das das Orchester gemeinsam mit dem Kreuzchor beim ersten Gedenkkonzert im Februar 1946 aufführte. Der Kunstverein »riesa efau« hat die Devise »Hass ist krass. Liebe ist krasser« auf ein Plakat gebannt. Die Semperoper erinnert an zwei in der NS-Diktatur verfemte Komponisten - auf ihrem Vorplatz, der damals »Adolf-Hitler-Platz« hieß. Die Plakate werden ergänzt durch virtuelles Material auf der WOD-Internetseite.

Virtuell wird dieses Jahr auch die Menschenkette gebildet, mit der am Jahrestag seit mehreren Jahren jeweils Tausende Bürger einen symbolischen Ring um die Innenstadt schließen und sich dabei die Hände reichen. Wegen des Lockdowns ist das diesmal nicht möglich. Deshalb soll eine Menschenkette im Videoformat auf Fassaden von sechs prominenten Gebäuden projiziert werden, darunter die Synagoge sowie Frauen- und Kreuzkirche. Noch bis zu diesem Mittwoch können Bürger ein Foto von sich in Hochformat und mit seitlich ausgestreckten Händen auf der Homepage der Stadt hochladen. Die Aktion richtet sich nicht nur gegen die rechtsextreme Vereinnahmung des Gedenkens, sondern auch gegen »Querdenker«: Hass und Hetze auf Dresdens Straßen würden »auch die in zwei Lockdowns mit all ihren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen erreichten Fortschritte im Kampf gegen Corona gefährden«, heißt es im Aufruf.

Derweil beklagt das Bündnis »Dresden nazifrei« ausbleibende Informationen darüber, welche Aktionen von Rechtsaußen am Jahrestag in der Stadt stattfinden. Man wolle »Klarheit darüber, wo die Nazis am Samstag stehen oder gar laufen werden«, heißt es in einer Erklärung. Es sei »weiterhin nicht klar, wo und wie sich die Versammlungen im Stadtgebiet verteilen«. Das Bündnis ruft zu Protest gegen eventuelle rechte Aufmärsche auf: »solidarisch, mit Abstand und Maske, aber konsequent und entschlossen«. Sowohl bei Hygieneregeln als auch mit Blick auf Nazis gebe es »keine Kompromisse«. Aktuelle Informationen über Proteste sollen kurzfristig über soziale Medien verbreitet werden.

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