Lokführerwechsel in Hennigsdorf

Mit dem neuen Eigentümer Alstom ergeben sich für die Zugschmiede neue Chancen und Risiken

  • Wilfried Neiße und Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Schildermaler hatten in Hennigsdorf (Oberhavel) stets eine verlässliche Einnahmequelle, wenn wieder mal ein neuer Eigentümer des 1913 als Lokomotivfabrik am Ort gegründeten Unternehmens ins Bild zu setzen war. Zu Monatsbeginn hat der französische Alstom-Konzern mit der Zugsparte seines kanadischen Konkurrenten Bombardier auch dessen Werk in Hennigsdorf übernommen. Bis heute zehrt der Industriestandort vom guten Ruf des einstigen Stammwerkes des DDR-Kombinats VEB Lokomotivbau Elektromaschinenwerke »Hans Beimler« (LEW).

Mit der Übernahme durch Alstom entsteht in Europa der zweitgrößte Schienenfahrzeugkonzern der Welt hinter dem chinesischen Branchenriesen CRRC, einem Staatskonzern. Im Sommer 2020 hatte die EU-Kommission der Fusion zugestimmt - allerdings unter der Bedingung, dass Alstom Teile der bisherigen Bombardier-Produktpalette verkauft. Dazu zählt die in Hennigsdorf angesiedelte Herstellung von Talent 3-Regionalverkehrszügen. Ein aussichtsreicher Interessent dafür scheint längst gefunden. Sollten die laufenden Verhandlungen den EU-Auflagen gemäß bis zum Sommer zu einem Vertrag führen, dürften an zwei der Hennigsdorfer Werkhallen bald Logo und Schriftzüge des tschechischen Eisenbahnbauers Škoda Transportation anzubringen sein. Wobei Branchenkenner bereits Anzeichen dafür sehen, dass mit den Tschechen die Erzkonkurrenten aus China versuchen könnten, am Standort einen Fuß in die Tür zu bekommen.

In Brandenburg ist man vor allem froh, dass die hochwertigen Industriearbeitsplätze erhalten bleiben. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zeigte sich zuversichtlich, dass der Produktionsstandort Hennigsdorf damit langfristig gesichert sei und das traditionsreiche Werk eine Zukunft habe. »Das ist für Hennigsdorf und für die gesamte Hauptstadtregion als wichtigem Standort des Schienenfahrzeugbaus von großer Bedeutung«, erklärte er Ende Januar. »So ist gewährleistet, dass die Bahn auch künftig dabei unterstützt wird, mit innovativen Produkten ›Made in Brandenburg‹ ihre umweltfreundlichen Mobilitätsangebote auszubauen.« Er hoffe auf Alstoms Beitrag zur Verkehrswende hin zu nachhaltiger Mobilität.

Laut Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sei mit dem neuen Unternehmen »ein neues Schwergewicht auf dem internationalen Markt entstanden«. Das biete auch gute Chancen für viele kleine und mittlere Zuliefer- und Dienstleistungsunternehmen im Schienenfahrzeugbau. »Die Landesregierung wird sich weiterhin für den Erhalt eines integrierten Industriestandortes einsetzen, der Forschung und Entwicklung, Produktion und Service in Hennigsdorf umfasst«, versicherte er. Die Verhandlungspartner seien um einen fairen Interessenausgleich bemüht gewesen und hätten stets auch die Belange der Arbeitnehmer am Standort im Blick behalten.

Bombardier beschäftigte in Hennigsdorf rund 2200 Menschen, neben Stammbeschäftigten auch Leiharbeiter. Nach Alstom-Aussagen sei man am einzigartigen Know-how der Belegschaft interessiert, »um in Zukunft mit gebündelter Expertise noch bessere Produkte liefern zu können«.

Betriebsratschef Volkmar Pohl hat sich in den vergangenen Tagen vorsichtig optimistisch zu den Zukunftsaussichten am Standort geäußert. »Es ist ein Stück Hoffnung darauf, dass es besser wird«, sagte er am letzten Samtag dem rbb-Inforadio. Gerade Bombardier habe sich ja in der Vergangenheit »nicht mit Ruhm bekleckert«, was Prozesse, Abläufe und strategische Entscheidungen betreffe. Aber auch die Alstom Group, die ja insgesamt zehn Werke hinzugekauft habe, kommuniziere bisher ihre Strategie nicht. »So bleibt natürlich das Bangen: Wie geht es denn eigentlich überhaupt weiter im Werk?«, sagte Pohl.

In der Branche ist man sich einig, dass Europas Schienenfahrzeugbauer, allen voran Al᠆stom, dringend in Produktinnovationen und -qualität investieren müssen. Nicht zuletzt Bombardier stand als Zulieferer der Deutschen Bahn mit Regionalzügen der defektanfälligen Talent-Baureihe stets in der Kritik.

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