Quarantäne-Verweigerer im Abschiebeknast

Innenausschuss des Landtags debattiert über etwaigen Rassismus in Gesundheitsämtern

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn sich jemand in Brandenburg hartnäckig nicht an die häusliche Quarantäne hält, nachdem er sich mit dem Coronavirus infiziert hat oder als Kontaktperson eines Infizierten festgestellt ist, dann landet er in der einstigen Abschiebehaftanstalt von Eisenhüttenstadt. Sie wird für ihren ursprünglichen Zweck wegen diverser Mängel nicht mehr benutzt. Doch sie ist extra renoviert worden, um störrische Quarantäne-Verweigerer aufnehmen zu können. Die »gröbsten Mängel« seien beseitigt worden, erklärte Innenminister Michael Stübgen (CDU) am Mittwoch im Innenausschuss des Landtags.

Seit Juni vergangenen Jahres sind 18 Unverbesserliche für die restliche Laufzeit ihrer Absonderung in das alte Abschiebegefängnis gesteckt worden. 17 von ihnen waren keine deutschen Staatsbürger, einer schon, aber der hatte Migrationshintergrund.

Die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) schließt aus der Tatsache, wer da in diesem gesicherten Gebäude auf dem Gelände der zentralen Ernstaufnahme für Flüchtlinge in Eisenhüttenstadt festgehalten worden ist, dass bei der Einweisung Vorurteile eine Rolle spielen müssen. »Es kann mir niemand erzählen, dass es keine hartnäckigen Quarantäne-Verweigerer mit deutschem Pass gibt«, sagte sie. Die Wahl des Ortes sei verkehrt. Hier wollen die Gesundheitsämter »gute deutsche Querdenker« offensichtlich nicht unterbringen, meinte die Abgeordnete. »Scheinbar hat die Landesregierung null Sensibilität in Fragen rassistischer Diskriminierung.«

Diesen Vorwurf wies Innenminister Stübgen entschieden zurück. Sein Ressort sei vom Gesundheitsministerium gebeten worden, schnell etwas bereitzustellen, um Menschen zwangsweise zu isolieren, die sich nicht an die Vorschriften der Quarantäne halten, damit diese nicht andere Menschen anstecken. Das ehemalige Abschiebegefängnis mit einem hohen Zaun drum herum sei für diesen Zweck geeignet, nachdem es renoviert wurde. Man habe schnell und unbürokratisch Amtshilfe geleistet.

Verantwortlich seien die Gesundheitsämter der Landkreise und kreisfreien Städte, die für die zwangsweise Isolierung gerichtliche Beschlüsse erwirken müssen. Ob dem Gesundheitsministerium noch andere Örtlichkeiten, die eventuell besser geeignet gewesen wären, vorgeschlagen worden sind, wisse er nicht, sagte Stübgen. Er wisse auch nicht, warum fast keine Deutschen dorthin gebracht worden sind. Diese Fragen seien an das Gesundheitsministerium und an die Gesundheitsämter zu richten.

Aber wo sind denn nun die deutschen Querdenker, bei deren Demonstrationen in der Bundesrepublik es schätzungsweise 16.000 bis 20.000 Infektionen gegeben haben soll? Halten sich nun etwa ausgerechnet diese Querdenker an die Quarantäne, obwohl sie das Virus in der Regel nicht besonders ernst nehmen?

Die Abgeordnete Johlige glaubt, die Gesundheitsämter wollten sich nicht dem Stress aussetzen, den Beschimpfungen, die es wohl geben würde, wenn die Lokalpresse berichtet, dass Deutsche in den Abschiebeknast gesteckt werden, der sich auf dem Gelände der Flüchtlingsaufnahme befindet. Auch wenn das Haus nach der Renovierung mit seinen Bädern, Aufenthaltsräumen und Fitnessbereich im Prinzip für die Quarantäne geeignet seien, wovon sich Johlige in der vergangenen Woche bei einer Besichtigung überzeugte.

Die Abgeordnete Marie Schäffer (Grüne) glaubt nicht, dass rassistische Diskriminierung dahinter steckt, wenn es fast nur Flüchtlinge erwischt. Sie vermutet stattdessen, dass in einem Asylheim, in dem die Menschen dicht beieinander leben, einfach »sehr schnell auffällt«, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält. Das lasse sich dort einfach überwachen. Wer weiß sonst schon, ob dieser oder jener Nachbarn unter Quarantäne gestellt ist? Auch sie sehe es als »ziemlich schwierig« an, sagte Schäffer, wenn nur Geflüchtete damit rechnen müssen, nach Eisenhüttenstadt gebracht zu werden, während andere die Quarantäne brechen, »ohne diese letzte Konsequenz fürchten zu müssen«. Andrea Johlige, Marie Schäffer und auch die SPD-Abgeordnete Inka Gossmann-Reetz gestanden zu, dass es eine Möglichkeit geben müsse, die Bevölkerung vor der Ansteckung durch hartnäckige Quarantäne-Verweigerer zu schützen. Sie hatten aber Nachfragen zur Art und Weise, in der das geschieht.

Das Innenministerium hat den ehemaligen Abschiebeknast nicht zuletzt auch deshalb für diesen Zweck angeboten, weil das Land dort unkompliziert auf Personal zurückgreifen konnte, dass in der Erstaufnahme für Flüchtlinge eingesetzt ist, darunter Kräfte des Deutschen Roten Kreuzes und privater Wachschutz. Der Wachschutz hat allerdings keine hoheitlichen Befugnisse, wie das Innenressort auf Nachfrage im Ausschuss bestätigte. Das heißt: Wird jemand gewalttätig oder versucht auszubrechen, müsste die Polizei gerufen werden. »Und die Polizei wäre schnell da«, sagt das Innenressort.

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