- Brandenburg
- Vogeltod
Harter Aufschlag am BER
Umweltverband BUND fordert Maßnahmen gegen massiven Vogeltod an Glasfassade des Hauptstadt-Airports
»Wir wollten uns das systematisch ansehen, weil wir regelmäßig Berichte und Fotos von Besuchern und auch Mitarbeitern des BER bekommen haben«, sagt BUND-Fachfrau Wegworth. »nd« vorliegende Aufnahmen zeigen unter anderem einen Eisvogel, der den Anprall gegen die Glasfront des BER nicht überlebt hat. »Federfunde und Fotos belegen, dass unter den verunglückten Tieren auch weitere geschützte Arten wie Waldkauz, Singdrossel, Rotkehlchen und Blaumeise sind«, berichtet Claudia Wegworth.
Das Problem am BER ist keineswegs neu, schließlich steht der Glaskasten schon ein Jahrzehnt in der Landschaft. »Besonders prägnant ist das Problem der Massenanflüge von Zugvögeln, bei denen bereits 2012 nachweislich zahlreiche Rotkehlchen und Singdrosseln am Terminalgebäude zu Tode gekommen sind«, sagt die Expertin.
»Die Flughafengesellschaft muss dringend Schutzmaßnahmen nachrüsten«, fordert Wegworth. Die Scheiben auch der Windfänge im Auffahrtsbereich müssten mit gemusterten Folien beklebt werden, außerdem bräuchte es Abschattungsvorrichtungen, damit das Terminal in der Dunkelheit nicht derart nach außen strahlt.
»Das Problem mit den Vögeln ist uns bekannt, es tritt an vielen Gebäuden mit großen Glasfassaden auf«, teilt Sabine Deckwerth auf nd-Anfrage mit. Sie ist eine Sprecherin der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg, die den BER betreibt. Die FBB nehme das Problem ernst und bedauere die Vogelkollisionen. Man habe mit den Flughafenexperten bereits Maßnahmen ergriffen und Flächen mit speziellen Folien beklebt. »Sollte sich dieses Verfahren bewähren, werden weitere Flächen beklebt«, so Deckwerth.
»Ja, die kleinen mit Folien beklebten Flächen in den Ecken haben wir gesehen«, entgegnet Claudia Wegworth vom BUND. »Die Folien sind allerdings von innen angebracht worden. Bei solchen spiegelnden Glasfassaden bringt das aber nur etwas, wenn sie auf der Außenseite angebracht werden, damit die Vögel sie sehen.«
Seit Eröffnung des Terminal 1 im vergangenen Oktober habe man kaum noch Vogelkollisionen feststellen können, heißt es von der FBB. Man vermutet, dass durch den Flugbetrieb und die damit verbundenen Störeinflüsse weniger Vögel in die Nähe des Terminals fliegen.
»Natürlich reduziert sich das Problem im Winter. Aber das wird sich mit dem Vogelzug im Frühjahr wieder verschärfen«, ordnet Claudia Wegworth die Schwankung ein. Besonders ärgerlich findet es die Naturschützerin, dass die Flughafengesellschaft erst nach der nd-Anfrage auf monatelange Kontaktversuche reagiert habe. »Wir haben davor keinerlei Reaktionen bekommen«, berichtet sie. Zu diesem Vorwurf schweigt sich die FBB auf nd-Anfrage aus.
»Was auch immer passiert oder notwendig ist: Es wird horrende Kosten nach sich ziehen. Man hätte den Vogelschutz bei der Planung berücksichtigen müssen«, erklärt Wegworth.
Glasfassaden sind ein gravierendes Problem für Vögel. Vermutlich 100 Millionen sterben jährlich in Deutschland durch den Aufprall auf Scheiben, heißt es auf der Internetseite der Berliner Senatsumweltverwaltung. »Das wären über fünf Prozent aller im Jahresverlauf vorkommenden Vogelindividuen«, wird die Dimension verdeutlicht.
Allein in Berlin soll es sich schätzungsweise um vier Millionen Tiere handeln. Berüchtigt bei Vogelschützern sind unter anderem Potsdamer Platz, Hauptbahnhof, Kranzlereck und das Paul-Löbe-Haus des Bundestags. »Rund 80 Prozent aller Vögel überleben den Aufprall nicht«, berichtet Wegworth. »Auch wenn sie danach noch wegfliegen können, sterben sie später an inneren Verletzungen oder zwei bis drei Wochen später an einer Netzhautablösung. Blinde Vögel überleben nicht«, schildert Wegworth aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse.
»Das Thema Vogelschutz muss in die Bestimmungen für nachhaltiges Bauen aufgenommen werden. Hilfreich wären vor allem konkrete Regelungen dazu in der Bauordnung«, sagt Wegworth. Das gebe auch Architekten mehr Planungssicherheit. In der frisch novellierten Brandenburger Bauordnung ist die Forderung nicht berücksichtigt worden. Berlin will es nun besser machen, dort läuft gerade das Gesetzgebungsverfahren für die Bauordnung. »Damit dieses Problem nicht mit jedem Neubau noch größer wird, müssen sich zukünftig alle Architekten damit befassen und Gegenmaßnahmen ergreifen. Diese Verpflichtung wird in die Bauordnung aufgenommen«, sagt Andreas Otto, baupolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, zu »nd«.
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