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Talkrunden-Rezept
Die Sendung »Die beste Instanz« zeigt, welche »Zutaten« es für eine unterhaltsame Talkrunde mit Mehrwert braucht
Ein Großteil der deutschen Talkshows ist wirklich Mist: Menschen sitzen im Kreis, dann geht der Plumpsack rum und jede*r darf mal irgendwas zu irgendwas sagen. Das ließe sich zunächst gut ignorieren, würden nicht immer wieder auch Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind oder sich überhaupt mit dem Thema auskennen, genau darüber debattieren. Dann werden Fragen diskutiert, etwa ob bestimmte Begriffe rassistisch seien und ob sie dennoch verwendet werden sollten oder nicht.
Wie müde müssen von Rassismus betroffene Menschen sein, seit Jahrzehnten die immer gleichen Debatten zu hören, zu führen oder besser: führen zu müssen? Zum Glück gibt es Menschen, die nicht aufgeben. Wer diese Leute in Aktion sehen möchte, sollte sich die Sendung »Die beste Instanz« auf Youtube anschauen. Sie ist als Reaktion auf den WDR-Talk »Die letzte Instanz« zu verstehen, in dem die Verwendung rassistischer Begriffe zur Debatte stand, als ob es tatsächlich ein Für und Wider gäbe. Widerlich.
Bereits was das angeht, sollten sich viele ein Vorbild an »Die beste Instanz« nehmen: Moderatorin Enissa Amani stellt von vornherein klar: Es gibt Rassismus. Das steht nicht zur Debatte. Und auch im Weiteren liefert die Sendung eine Art Rezeptur für eine unterhaltsame Talkrunde mit Mehrwert.
Da wäre Zutat Nummer eins: geeignete Gäste. »Die beste Instanz« überzeugt mit einem Panel, das mit drei Frauen und drei Männern nicht nur durch eine ungewohnt ausgeglichene Geschlechterverteilung auffällt. Es ist vor allem divers - in den persönlichen und beruflichen Hintergründen der Teilnehmenden und damit auch den konkreten Expertisen. Diese kommen aus der Bildungsarbeit, der Wissenschaft, dem Journalismus, dem Aktivismus und der Comedy. Eingeladen sind der Aktivist Gianni Jovanovic, der immer wieder über Diskriminierung gegen Sinti*zze und Roma*nja aufklärt. Die Soziologin Natasha A. Kelly, deren Forschungsschwerpunkte auf Kolonialismus und Feminismus liegen. Autor Max Czollek, der am Zentrum für Antisemitismusforschung promoviert hat. Der Journalist und Buchautor Mohamed Amjahid und Nava Zarabian, Referentin der Bildungsstätte Anne Frank.
Sie alle sind Expert*innen beim Thema Rassismus - und zwar nicht wegen ihrer Hautfarbe. Denn es ist nicht per se ein Problem, wenn sich weiße Menschen über Rassismus unterhalten. Entscheidend ist auch das Wie. Nicht zuletzt, weil es nicht die Aufgabe von Schwarzen und PoC ist, weißen Deutschen Anti-Rassismus beizubringen.
In allerletzter Instanz. Sheila Mysorekar fragt sich angesichts der WDR-Talkshow »In letzter Instanz«, was Medienhäuser eigentlich unter Meinungsvielfalt verstehen.
Zutat Nummer zwei: die eigene (Macht)Position reflektieren. »Alle die hier sitzen haben Gehör, sind Autoren, Bestsellerautoren, haben eine große Twitter-Followerschaft und so weiter«, betont Enissa Amani und zeigt ein Bewusstsein über die eigenen Privilegien und Möglichkeiten, was enorm wichtig ist. Weil es Machtverhältnisse offenlegt und gewisse Handlungen und Ansichten erklären kann - ob nun für jene hinter den Empfangsgeräten oder sich selbst.
Zutat Nummer drei: eine respektvolle Gesprächskultur. Das heißt nicht, dass sich in Talkrunden nicht gestritten werden darf, dass niemandem widersprochen werden soll oder, dass alle der gleichen Meinung sein müssen. All das ist möglich und trägt nicht selten zum Unterhaltungswert einer Sendung bei. Aber es ist ein Unterschied, jemandem ins Wort zu fallen, um zu unterbrechen oder um die Person zum Schweigen zu bringen. TV-Programme - insbesondere Produktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - haben eine Vorbildfunktion für eine respektvolle Debattenkultur.
Zutat Nummer vier: das Stellen vermeintlich dummer Fragen. Natürlich, ein Großteil der Talkrunden ist mit mehr oder weniger echten Expert*innen besetzt, von denen niemand jemals eine blöde Frage stellen würde. Nur warum nicht? Durch Zutat Nummer eins sitzen da im besten Fall sehr unterschiedliche Menschen, die alle auch voneinander lernen können. Und das Publikum guckt die Sendung im Zweifel auch deswegen, weil es etwas dazulernen möchte.
Dazulernen tut man bei »Die beste Instanz« auf jeden Fall: über rassistische Begriffe und Strukturen und Anti-Rassismus-Arbeit. Wer danach noch weiterlernen möchte, sollte allen Teilnehmenden in den sozialen Medien folgen.
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