Fehlplanungen mit System

HEISSE ZEITEN - DIE KLIMAKOLUMNE: Über teuren, umweltschädlichen und überdimensioniert Fernstraßenbau in Deutschland.

  • Olaf Bandt
  • Lesedauer: 3 Min.

Auch in Zeiten einer globalen Pandemie schreitet die Klimakrise weiter voran. Während Zivilgesellschaft und Verbände fordern, den Ausstoß von Treibhausgasen schnell und massiv abzusenken sowie gleichzeitig wertvolle Ökosysteme weltweit zu schützen, plant und baut die Bundesregierung weiter neue Fernstraßen. Dabei bekennt sich auch sie sich zu diesen Zielen, hat sich national und international in einer Reihe entsprechender Abkommen dazu verpflichtet. Angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise und des dramatischen Verlusts der Artenvielfalt gibt es zur Einhaltung dieser Abkommen auch keine Alternative. Leider passen Ankündigungen und konkretes Handel aber nicht immer zusammen. In manchen Fällen stehen sie sich diametral gegenüber.

So schafft es Deutschland bisher nicht, den Ausstoß von Treibhausgasen im Verkehr merklich zu reduzieren. Fehlplanungen und Versäumnisse prägen die Verkehrspolitik der vergangenen Jahrzehnte. Ein Beispiel, wie die Bekenntnisse zu Umwelt-, Klima- und Naturschutz der Bundesregierung ganz offensichtlich dem konkreten Handeln entgegenstehen, ist der Fernstraßenbau in Deutschland. Die breiten Proteste von Naturschützer*innen und Anwohnenden gegen den Bau der Autobahn 49 durch den jahrhundertealten und biologisch äußerst wertvollen Dannenröder Wald machen einen Konflikt deutlich, der sich in den nächsten Monaten und Jahren wohl noch vielerorts so oder so ähnlich Bahn brechen wird. Denn in ganz Deutschland gibt es noch viele weitere klimaschädliche, naturzerstörende, überteuerte und unnötige Fernstraßenprojekte, die verhindert werden können und müssen.

Insgesamt ist bis zum Jahr 2030 der Neu- oder Ausbau von ungeheuerlichen 1360 Bundesfernstraßenprojekten, also bei Autobahnen und Bundesstraßen, vorgesehen. Dazu zählen allein 850 Kilometer neue Autobahnen. Das darf so nicht kommen. Für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ist der Kampf gegen unsinnige Autobahnprojekte ein Teil seiner DNA. Wir protestieren, machen auf Missstände und Fehlplanungen aufmerksam, pochen auf die Beteiligung der Öffentlichkeit. Wir zeigen aber auch Alternativen auf, die in der Regel nicht nur weniger umweltschädlich, sondern auch kostengünstiger und schneller umzusetzen sind.

In Deutschland wurde in den vergangenen Jahrzehnten ein Planungssystem für Fernstraßen aufgebaut, das Klima- und Biodiversitätsziele systematisch ignoriert. Dieses Planungssystem ist skandalös: Es setzt geltendes europäisches Naturschutzrecht außer Kraft, begünstigt Manipulationen und ermöglicht Tricks, um den Nutzen der Projekte schönzufärben sowie die Kosten kleinzurechnen, während gleichzeitig die realen Baukosten regelmäßig durch die Decke gehen. Zudem höhlte das Planungssystem die gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten systematisch aus und sieht die wichtige Öffentlichkeitsbeteiligung meist nur als hinderliche Pflichtveranstaltung an.

Die verkehrspolitischen Probleme hierzulande bleiben indessen ungelöst. Die bestehende Infrastruktur ist vielerorts marode und durch zu viele Autos und Lkw überlastet, Fahrradfahren und Zufußgehen sind dagegen vielerorts nur etwas für Mutige. Eine Lösung dieser Probleme wird nur mit einer integrierten Verkehrs- und Mobilitätsplanung, einer verkehrssparenden Raum- und Stadtentwicklung sowie fairer Öffentlichkeitsbeteiligung möglich sein.

Die Bundestagswahl im Herbst bietet die Chance, die zerstörerischen und teuren Straßenbauorgien in Deutschland endlich zu stoppen. In den Koalitionsvertrag einer künftigen Regierung gehört die Verpflichtung, dass sich die Planung des Fernstraßenbaus künftig an den internationalen und nationalen Klima- und Naturschutzzielen ausrichtet. Dafür braucht es einen sofortigen Neubaustopp und ein Moratorium für Neubauplanungen von Bundesfernstraßen.

Jetzt ist die Zeit für eine komplette Neuausrichtung der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, zugunsten von Rad-, Fuß- und öffentlichem Verkehr. Eine neue Bundesregierung wird nicht ungestört weiter unsinnige und teure Autobahnen bauen können. Sie wird sich ernsthaft mit einer echten Mobilitätswende beschäftigen müssen!

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