Viel Rauch um wenig Cannabis

Dem Bernauer Richter Andreas Müller wird von der Staatsanwaltschaft Befangenheit vorgeworfen. Die Linke nennt das absurd

  • Andreas Fritsche und Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Harte Urteile gegen Neonazis, Gnade für Kiffer: Dafür ist der Bernauer Richter Andreas Müller bekannt. Seit Jahren will er Cannabiskonsum entkriminalisieren. Nun steht er wegen seines Engagements wieder einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit. Mittlerweile beschäftigt sich sogar das Parlament mit ihm.

Der Richter hatte im Frühjahr 2020 eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, weil er das Verbot von Cannabis für verfassungswidrig hält. Den Prozess gegen einen Heranwachsenden, der eine geringe Menge Cannabis gekauft und in eine Polizeikontrolle geraten war, hat er bis zu einer Entscheidung des Verfassungsgerichts ausgesetzt. Daraufhin wollte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) den Richter für befangen erklären und ihm alle Cannabis-Verfahren entziehen. Den Befangenheitsantrag hat das Amtsgericht Bernau im Januar allerdings abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft legte daraufhin Beschwerde ein, über die noch nicht entschieden ist.

In der Bundesrepublik seien in vier Jahrzehnten 500 000 Menschen wegen Cannabis eingesperrt worden. Polizei und Justiz müssten sich mit Kiffern beschäftigen, was sie von wirklich wichtigen Ermittlungen abhalte, beklagte Müller, dessen älterer Bruder kiffte und deshalb mit 15 Jahren von der Schule geflogen war und jahrelang im Knast saß.

Auch die Piratenpartei hält das Cannabis-Verbot für verfassungswidrig. Sie beschwerte sich am Freitag über den Umgang mit Richter Müller. Ehrenamtliches Engagement und die legitime verfassungsrechtliche Überprüfung des Betäubungsmittelgesetzes dürften kein Grund sein, Richter von bestimmten Fällen auszuschließen, erklärte Andreas Grätsch, Koordinator der Arbeitsgemeinschaft Drogen- und Suchtpolitik der Piraten.

Ein Fall für den Rechtsausschuss

Grätsch schloss sich damit ausdrücklich der brandenburgischen Landtagsabgeordneten Marlen Block (Linke) an, die sich am Donnerstag im Rechtsausschuss des Parlaments ganz ähnlich geäußert hatte. Block wollte dort von Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) wissen, ob diese kraft ihrer Position und Befugnis die Befangenheitserklärung der Staatsanwaltschaft als nichtig einstufen werde. Block bezeichnete das Agieren der Staatsanwaltschaft als »ungewöhnlich«, es sei geeignet, Zweifel an der Kompetenz der Justiz zu säen. Einen Richter öffentlich so zu maßregeln, berühre außerdem die Frage der richterlichen Unabhängigkeit.

Justizministerin blockt ab

Ministerin Hoffmann stellte indes klar, von ihrem Weisungsrecht generell nur dann Gebrauch zu machen, wenn eine staatsanwaltschaftliche Entscheidung aus ihrer Sicht nicht vertretbar sei. Einen solchen Fall sehe sie hier aber nicht. Deshalb werde sie nicht einschreiten. Das Handeln der Staatsanwaltschaft bewege sich im Bereich des Rechtmäßigen, das Vorgehen sei keineswegs »absurd«.

»Das sehe ich deutlich anders«, entgegnete die Abgeordnete Block. Richter Müller habe sich intensiv mit der Materie befasst, ein Buch dazu geschrieben und juristisch begründete Zweifel, dass die seit 1994 geltenden Strafen für den Besitz von Cannabis heute noch verfassungsgemäß sind. Müllers Vorgehensweise sei logisch. Der Vorwurf der Befangenheit werfe ein schlechtes Licht auf die brandenburgische Justiz, »insbesondere auf die Staatsanwaltschaft«, so Block.

Die Justizministerin erinnerte daran, dass nach geltendem Recht Cannabis nun einmal zu den Drogen gehöre, deren Besitz strafbar sei. Gleichwohl sei seit 2006 eine Richtlinie in Kraft, der zufolge bei geringen Mengen für den Eigenbedarf auf die Strafverfolgung verzichtet werden könne. Brandenburg habe wie elf weitere Bundesländer die Grenze bei sechs Gramm gezogen. In Berlin etwa sei die Einstellung des Verfahren auch noch bei bis zu zehn Gramm möglich. »Immer wieder in der Diskussion« sei die Überlegung, die Grenze bei 15 Gramm zu ziehen.

Intimfeind der Konservativen

Es ist letztlich nicht das erste Mal, dass sich die Brandenburger Politik mit Müller befasst. So hatten 2004 die CDU-Landtagsabgeordneten Sven Petke und Ingo Senftleben sogar seine Amtsenthebung gefordert. »Die Freiheit von gefährlichen Drogendealern ist Müller wohl wichtiger als die Anwendung von Recht und Gesetz«, hieß es damals. Das ließ Müller sich nicht gefallen. Er zeigte die Abgeordneten wegen Beleidigung und übler Nachrede an. Petke entschuldigte sich später bei Müller und spendete 600 Euro für taubblinde Kinder. Dafür zog der Richter seine Anzeige zurück.

Bei der Bundestagswahl 2002 hatte der parteilose Müller für die PDS kandidiert. 2009 spielte er mit dem Gedanken, bei der Landtagswahl für die Linke anzutreten, verzichtete dann aber auf seine Bewerbung.

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