Pegel halten geht nicht mehr

Mit einem Niedrigwasserkonzept reagiert Brandenburg auf die extrem trockenen Hitzejahre von 2018 bis 2020

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 4 Min.

»Brandenburg ist gewässerreich, aber auch wasserarm.« Auf dieses Paradoxon verwies Umweltminister Axel Vogel (Grüne) am Montag in Potsdam bei der Vorstellung des sogenannten Niedrigwasserkonzeptes des Landes. Es definiert die Grundlagen für den nachhaltigen Umgang mit der auf lange Sicht knappen Ressource Wasser und ist eine direkte Reaktion auf die zurückliegenden drei extrem trockenen und überdurchschnittlich warmen Jahre 2018, 2019 und 2020.

Wie groß der Handlungsdruck inzwischen wohl ist, kann jedermann selbst in Augenschein nehmen, der beispielsweise einen der zahlreichen Seen im Berliner Umland besucht. An Landungsbrücken und Stegen, aber auch an der Breite der Uferstreifen lässt sich ablesen, wie stark allein deren Pegelstände in den letzten Jahren gefallen sind.

Die Handlungsstrategie hatte der wenige Monate zuvor ins Amt gekommene Minister 2020 angekündigt. Erarbeitet wurde sie zusammen mit den Landkreisen, kreisfreien Städten und Gewässerunterhaltungsverbänden. Sie schließt einen Maßnahmenplan zur Vorsorge vor Niedrigwasser sowie zum Management von extremen Niedrigwasserereignissen ein. Eine neue Internetplattform wird künftig mit einer »Niedrigwasserampel« - einem pegelspezifischen Warnsystem - die aktuelle Niedrigwassersituationen in Brandenburg abbilden und Behörden in der Region ein rechtzeitiges Gegensteuern ermöglichen.

»Obwohl Brandenburg reich an Gewässern ist, führen fehlende Niederschläge rasch zu Trockenheit und Niedrigwasser in den Flüssen«, erläuterte Vogel. »Der brandenburgische Wasserhaushalt reagiert sehr schnell auf Niederschlagsdefizite, weil die durchlässigen Sandböden Wasser nicht halten können und über ausgedehnten Wasserflächen eine hohe Verdunstung stattfindet.« Brandenburg gehöre ohnehin zu den niederschlagsärmsten Regionen Deutschlands. Mit durchschnittlich 568 Millimetern im Jahr liegen die Niederschläge im Land deutlich unter dem bundesweiten Mittelwert von 772 Millimetern. Die vorigen drei Trockensommer mit ihren teils noch dramatisch geringeren Niederschlagsmengen hätten deutlich gemacht, dass Anpassungen beim Umgang mit der Ressource Wasser in Brandenburg besonders dringend seien.

Die dramatischen Folgen der Niederschlagsarmut für die Fließgewässer zeigten sich an Schwarzer Elster und Spree sowie den zu ihrer Stützung verfügbaren Speicherkapazitäten. Auch das sogenannte Eigendargebot im Einzugsbereich von Elbe und Oder war gering wie nie. So war der Abfluss der Oder im Jahr 2018 an 177 Tagen und im Jahr 2019 an 178 Tagen geringer als der Mittelwert der niedrigsten Jahresabflüsse zwischen 1991 und 2015.

Das Gewässersystem der ehemaligen »Sandbüchse des Deutschen Reiches«, wie Vogel sich ausdrückte, mit seinen insgesamt rund 10 000 Standseen und seinen rund 34 600 Kilometern Fließgewässer ist einerseits ein Erbe der Steinzeit. Andererseits habe es sich der Mensch zunutze gemacht, Flüsse begradigt und ausgebaut, künstliche Wasserläufe angelegt, Be- oder Entwässerungssysteme, Stau- und Speicheranlagen geschaffen. Rund 80 Prozent der Gewässer Brandenburgs sind künstlich beeinflusst oder angelegt, so der Umweltminister. »Brandenburg hat in einem solchen künstlich beeinflussten Gewässersystem die Möglichkeit und eigentlich sogar die Pflicht, steuernd einzugreifen«, sagte er.

Der im Niedrigwasserkonzept enthaltene Arbeitsplan richtet sich vorrangig an die Landesverwaltung, teilte das Umweltressort mit. So werde man die für ein nachhaltiges, flussgebietsbezogenes Niedrigwassermanagement erforderlichen Daten für Behörden, Gewässernutzer, Flächenbewirtschafter und die Öffentlichkeit besser aufbereiten und leichter zugänglich machen.

Auf der Grundlage besserer Daten werde man die wasserrechtlichen Genehmigungen für die Entnahme von Grund- und Oberflächenwasser sowie für Stauanlagen überarbeiten. Mit Hilfe einer Prognose zur Grundwasserneubildung könnten bei Entscheidungen zu Wasserentnahmen gegebenenfalls Klimaabschläge erhoben werden. Die bisher übliche Wassernutzung müsse insgesamt an die veränderten Niederschlags- und Temperaturverhältnisse angepasst werden. Die künstlichen Speicher wie die Talsperre Spremberg (Spree-Neiße) oder der Kyritzer Dossespeicher (Ostprignitz-Ruppin) müssen besser nutzbar gemacht werden, um Überschusswasser aus niederschlagsreichen Zeiten für Trockenperioden zurückzuhalten. Außerdem ist der natürliche Wasserrückhalt in der Landschaft zu verbessern, sind die natürlichen Speicher wieder aufzufüllen und Grundwasserstände zu stabilisieren.

Das Umweltministerium unterstützt die Schaffung regionaler Niedrigwasserkonzepte. Auch Land- und Forstwirtschaft, Fischerei und Naturschutz müssten zur Stabilisierung des Landschaftswasserhaushalts beitragen.

»Das Landesniedrigwasserkonzept ist ein Baustein der Anpassungsstrategien der Brandenburger Wasserwirtschaft an die Auswirkungen des Klimawandels«, so Vogel. Ende 2021 werde dem Landtag eine Gesamtstrate᠆gie zu dieser Generationenaufgabe vorliegen.

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