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Impfdrängler unter Druck
Nach seiner vorzeitigen Impfung könnte Halles OB Bernd Wiegand des Amtes enthoben werden
Monatelang saß Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand beinahe täglich vor der Kamera, um über die aktuelle Corona-Lage in der Saalestadt zu informieren. Doch nun ist plötzlich Schluss damit. Wie die Stadt Halle am Dienstag mitteilte, verzichte man bis auf Weiteres auf die regelmäßigen Pressekonferenzen und werde diese künftig angepasst an die jeweilige Nachrichtenlage kurzfristig einberufen. Zwei Gründe werden genannt: Einerseits habe sich das Corona-Infektionsgeschehen in Halle seit Anfang Februar deutlich entspannt, andererseits sei zuletzt nur noch geringes Interesse am allgemeinen Infektions-, Test- und Impfgeschehen zu verzeichnen gewesen.
Wirklich? Im Hintergrund wird vermutet, Wiegand flüchte sich vor unangenehmen Nachfragen zu seiner vorzeitigen Impfung. Spötter mögen gar behaupten, der Oberbürgermeister probe den Rückzug. Denn tatsächlich könnte er bald seines Amtes enthoben werden. Die Linke, deren Fraktionschef Bodo Meerheim zu den bereits geimpften Stadträten gehört, will sich um Mehrheiten für ein Abwahlverfahren bemühen. Wiegand inszeniere sich als »fehlerfreier Monarch«, der »Hof hält«, schreibt der Linke-Stadtvorstand in einer Pressemitteilung. Es entstehe der Eindruck einer Stadt, »in der die Günstlingswirtschaft über dem Gesetz steht«. Auch der parteilose Detlef Wend (Fraktion Mitbürger/Partei) fordert offen Wiegands Abwahl.
Hinzu kommt Druck vom Landesverwaltungsamt. Die für die Prüfung von Dienstvergehen bei Landräten und Oberbürgermeistern zuständige Behörde könnte neben verschiedenen Disziplinarmaßnahmen auch eine vorläufige Suspendierung aussprechen.
Die Kritik an Wiegand entzündet sich - neben dessen fehlender Reumütigkeit - vor allem an unterschiedlichen Darstellungen seiner Impfung. Der Oberbürgermeister hatte in seiner Pressekonferenz von einem Zufallsgenerator gesprochen: Um zu verhindern, dass nicht ungenutzte Impfdosen - etwa wegen nicht wahrgenommener Impftermine - verfallen, seien zunächst Härtefälle mit prioritärer Schutzberechtigung angerufen worden. Waren diese nicht erreichbar, seien dann Personen aus der nachfolgenden Priorisierungsgruppe ausgewählt worden, etwa Rettungsdienstmitarbeiter, Fachärzte, Stadträte und Mitglieder des Katastrophenschutzstabs. Auf die Frage eines Journalisten, wer die Verantwortung für den Umgang mit den Rest-Impfdosen habe, sagte Wiegand, dass »die Krankenhäuser eigenständig verimpfen«.
Das Diakoniewerk, in dessen Krankenhaus Wiegand am 17. Januar seine Spritze verabreicht bekam, ging mit einer Gegendarstellung an die Öffentlichkeit: Die Verantwortung liege »beim Impfteam der Stadt Halle«. Demnach seien an besagtem Sonntag Mitglieder des Katastrophenschutzstabes als Teil des Impfteams vor Ort gewesen. Nachdem innerhalb des Hauses keine impfwilligen Mitarbeiter mehr erreichbar gewesen seien, habe dieses entschieden, den Oberbürgermeister zu kontaktieren. Auch sei die Diakonie nicht im Besitz eines Zufallsgenerators. »Das Diakoniewerk ist oder war weder im Besitz einer Übersicht von Personen, die nach dem beschriebenen Ad-hoc-Verfahren zu kontaktieren sind, noch liegen dem Diakoniewerk Halle entsprechende Kontaktdaten vor.«
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