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Die kleinen Träume
Jan Korte über die Linke, die Arbeiter und die Mittelschicht
Ob es als Linker zur Zeit sinnvoll ist, Kritik an den völlig glatt polierten Grünen abzufangen und ihnen in der Eigenheimdebatte beizuspringen muss jeder selber wissen. Natürlich ist es sinnvoll über den Flächenverbrauch in der Bundesrepublik zu diskutieren, wobei die Bodenfrage eine viel grundsätzlichere ist. Aber darum soll es hier nicht gehen. Die Absage oder Einschränkung an den Bau von Eigenheimen offenbart ein ganz grundsätzliches Problem der gesellschaftlichen Linken und auch der Partei Die Linke.
Es zeigt eine Entkoppelung von den kleinen Träumen vieler Menschen, die man zur unteren oder mittleren Mittelschicht zählen könnte. Der Bau eines kleinen Häuschens ist für viele Menschen die Chiffre für das kleine Glück, auf das man viele Jahre hinspart und vor allem hinarbeitet. Es ist auch Ausdruck der Verheerungen des Neoliberalismus, des Ellenbogens und der Vereinzelung vieler Menschen: Das Eigenheim symbolisiert Sicherheit, Geborgenheit und das alte Sozialstaatsversprechen »Meinem Kind wird es einmal besser gehen«. Das kann man natürlich aus großstädtischer Linkenperspektive leicht belächeln. Besonders dann, wenn man in einer sanierten Altbauwohnung sitzt, zumal wenn sie einem auch noch gehört. Wenn ich in meinem Wahlkreis mit Leuten spreche, dann ist eine größere Zukunftshoffnung eben, ein kleines Häuschen zu bauen. Und nebenbei sei angemerkt, dass es viele kleine Gemeinden gerade deswegen noch gibt, weil sie die Möglichkeit zum Bau vom Häuschen ermöglichen. In vielen Teilen Ostdeutschlands wären die ländlichen Gebiete noch viel ausgestorbener ohne Ausweisung von Eigenheimbaugebieten.
Die aktuelle Debatte zeigt überdeutlich, warum die Linken bei Arbeitern und der unteren Mittelschicht so dramatisch verloren haben. Man redet und argumentiert völlig an ihnen vorbei. Besonders in emotionaler Weise gibt es kaum noch Anknüpfungen. Man muss aber einen Sensor, ein Gespür für diese Menschen haben, die für ihre Familie Bausparverträge abschließen, Geld abknapsen und mit viel Eigenleistung ihr Häuschen bauen wollen. Die aktuelle Debatte spiegelt dies wieder. Dass die Grünen den Draht in die oftmals nicht-akademische Welt verloren haben, ist bekannt. Aber Linken darf das nicht passieren. Eine Debatte wie die um den Stopp des Eigenheimbaus führt gerade bei Menschen, die keine akademische Ausbildung haben, die oftmals hart arbeiten müssen, um durch den Monat zu kommen und die nicht in den Großstädten leben zu einer politischen und kulturellen Ablehnung. Zu den Zumutungen von Ausbeutung, der Angst vor der Zukunft, fehlender Infrastruktur kommt in solchen Debatten auch noch das unbeabsichtigte herabblicken auf ihre kleinen Träume. Das ist verheerend und führt zur weiteren Abschottung gegenüber linken Ideen. Aber nur, wenn wir auch diese Menschen gewinnen, wird es überhaupt perspektivisch andere Mehrheiten in diesem Land geben.
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Neoliberalismus und das Ende des Gemeinwohls (Michael J. Sandel) führen natürlich zu einem Rückzug in die eigenen vier Wände, oftmals auch zur Einigelung. Das alles ist eine schwierige Entwicklung, denn wir wollen Offenheit und eine neue Ära des Gemeinsinns. Dies wird aber nur funktionieren, wenn wir für ökonomische und soziale Sicherheit sorgen, wenn der Begriff der Reform nicht ganz zu Unrecht zu Panikattacken bei jenen führt, die nicht auf der schicken Sonnenseite der Globalisierungsgewinner stehen.
Die Linken müssen endlich wieder eine Sprache finden, die gerade von denen verstanden wird, die zur vom Abstieg bedrohten Mittelschicht gehören, die versuchen ihre Kinder unter schwierigen Bedingungen großzuziehen und deren Traum aktuell gerade nicht der demokratische Sozialismus, sondern der Bau und die Finanzierung eines Hauses ist. Und sie müssen wenigstens Antennen dafür haben, wie diese Debatte auch bei denjenigen ankommt, die in besseren Zeiten ein Haus gekauft oder geerbt haben, und trotz Kurzarbeit oder Einkommensarmut gerade alles tun, um mit ihrer Familie darin weiter leben zu können. Sie sind nicht das Problem, sondern sie haben Probleme, und um die müssen wir uns kümmern, statt auf sie herabzublicken.
Daher muss eine erfolgreiche, linke Politik fragen, ob diese kleinen Träume in unserer Politik vorkommen? Haben sich linke Diskurse nicht zu sehr verengt? Wie können wir wieder gezielt Menschen aus nicht-akademischen Kreisen ansprechen? Der Philosoph Michael J. Sandel hat es in seiner exzellenten Untersuchung »Vom Ende des Gemeinwohls« überaus treffend beschrieben: »Es geht hier nicht allein um Löhne und Arbeitsplätze, sondern um gesellschaftliche Wertschätzung.« In diesem Satz liegt der Schlüssel: Die Debatte zum Eigenheim, wie sie gerade geführt wird, ist eben keine gesellschaftliche Wertschätzung, sondern eine Debatte in Kreisen, die oftmals nur zu sich selber sprechen.
Jan Korte ist 1. Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Die Linke. Im Verbrecher-Verlag erschien sein Buch »Die Verantwortung der Linken«.
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