Mietpreisbremse ausgebremst

Zwei Verordnungen zum Mieterschutz sind ausgelaufen und die neuen noch nicht erlassen

  • Wilfried Neiße und Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

In Brandenburg gibt es derzeit keine gültige Mietpreisbremse. Das wurde am Freitag bei einer Pressekonferenz der Linken im Potsdamer Landtag deutlich. Die Linke protestierte dagegen, die Zahl der Kommunen im Berliner Umland, für die eine solche Mietpreisbremse gelten soll, wie vorgesehen drastisch zu reduzieren. Die zuvor gültigen Verordnungen zu Kappungsgrenzen und Mietpreisen sind am 31. Dezember nach fünf Jahren ausgelaufen. Vorarbeiten, sie neu aufzusetzen, seien zwar im Gange, bestätigte die sozialistische Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré. Doch zum ersten solle die Zahl der Kommunen, für die die Mietpreisbremse gelte, von 31 auf 19 abgesenkt werden. Zum anderen gelte durch die zeitliche Verzögerung im Moment für gar keine Kommune eine gültige Mietpreisbremse. Zwar soll die Neufassung rückwirkend zum 1. Januar in Kraft treten. Doch fragt sich, ob sich in der Zwischenzeit verlangte Mieterhöhungen auf diese Weise nachträglich kippen lassen.

Die Absicht, Städte und Gemeinden wie Hennigsdorf, Velten, Bernau, Erkner, Königs Wusterhausen, Nuthetal und andere völlig herauszunehmen, nannte Linksfraktionschef Sebastian Walter falsch. In diesen Regionen nehmen die Spannungen auf dem Mietmarkt immer mehr zu, von einer Entspannung sei man weiter entfernt denn je.

»Die Stadtverordnetenversammlung von Bernau hat mich beauftragt, dafür zu kämpfen, dass die Mietpreisbremse für Bernau erhalten bleibt«, sagte Bürgermeister André Stahl (Linke) auf der Pressekonferenz. Die Annahme, es gebe in seiner Kommune keinen angespannten Mietmarkt, bezeichnete er als »Hohn«. Bernau sei ein Teilbereich der Berliner Mietmarktes, mit dem 20-Minuten-Takt der S-Bahn nach Berlin sei die Stadt dort »hervorragend angebunden«. Die Zeiten, in denen in Bernau Wohnungen für 5,50 Euro oder 6,50 Euro pro Quadratmeter gemietet werden konnten, »gehören leider der Vergangenheit an«. Inzwischen würden bis zu 11,50 Euro gefordert und übrigens auch bezahlt. Die Nachfrage steige auch deswegen, weil in der benachbarten Gemeinde Panketal, die fast nur aus Einfamilienhäusern besteht, viele Bewohner ihre Eltern nachholen oder Wohnungen für ihre Kinder suchen. Eine Bremse sei unabdingbar, »damit die Mieten nicht weiter in die Höhe schießen«.

Für die Gemeinde Nuthetal sagte Bürgermeisterin Ute Hustig (Linke), die Gemeinde vor den Toren von Berlin und Potsdam benötige »dringend« weiter die Mietpreisbremse. Der Bedarf nach bezahlbaren Mietwohnungen wachse beständig, »wir haben lange Wartelisten«. Natürlich leben dort gut verdienende Ärzte oder Angestellte der Landes- und Bundesregierung, die sich ein teures Wohnen leisten könnten. Daneben seien aber viele von einem solchen Glück nicht begünstigt, die Gemeinde benötige dringend barrierefreie Wohnungen, ferner Wohnungen für Alleinstehende mit Kindern. Nicht selten würden schon 50 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens für die Miete ausgegeben. Empfohlen wurde früher, nicht mehr als ein Drittel des Einkommens für das Wohnen zu veranschlagen.

Die Landtagsabgeordnete Vandré machte auf den Widerspruch aufmerksam, dass einige Gemeinden wie Nuthetal aus der Mietpreisbremse herausfallen sollen, andere wie Stahnsdorf oder Kleinmachnow hingegen nicht. Aus ihrer Sicht ungenügend ist auch die Lage um die künftige Tesla-Autofabrik in Grünheide. In die unbefriedigende Lage im Bereich der Sozialwohnungen sei Brandenburg geraten, weil hier wie überall in Deutschland der Bau von Sozialwohnungen nach 1990 massiv abgenommen habe und durch eine Förderpolitik zugunsten des »freien Marktes« ersetzt worden sei. »Das hat leider nicht funktioniert.«

Bürgermeisterin Hustig sagte, ihre Gemeinde sei nicht in der Lage, das Wohnungsproblem aus eigener Kraft zu lösen. Leider würden viele Menschen gerade so viel verdienen, dass sie aus den Förderprogrammen herausfallen.

Linksfraktionschef Walter trat für die Gründung einer landesweiten Wohnungsbaugesellschaft ein, die sich ausschließlich dem Bau von Sozialwohnungen widmet. Wohnungsbau könne aber »nicht ausschließlich Sache des Staates und der Kommunen sein«. Es gehe seiner Partei nicht darum, die Anhebung von Mieten völlig zu verhindern. Vielmehr solle der Tendenz ein Riegel vorgeschoben werden, die Not von Menschen auszunutzen und erpresserisch völlig ungebührliche Mieten zu verlangen.

Als Entscheidungsgrundlage für mietpreisdämpfende Maßnahmen über das Jahr 2020 hinaus dient ein vom Infrastrukturministerium bei der Firma F + B Forschung & Beratung in Auftrag gegebenes Gutachten, erläuterte Ministeriumssprecherin Katharina Burkardt. »Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Kommunen selbst oder Gemeindevertreter ihren Standort als angespannten Wohnungsmarkt einstufen. Der Gesetzgeber verlangt eine einheitliche und hinreichend belegbare statistische Datenerhebung als Begründung.« Durch das Gutachten seien 19 Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt ermittelt worden. Hierfür wurden Wohnungsangebote, Mietspiegel und weitere Daten ausgewertet. Ohne diese Daten sei es nicht gegangen. »Die Rechte der Vermieterinnen und Vermieter dürfen nur dann über eine mietpreisdämpfende Verordnung eingeschränkt werden, wenn vor Ort die angespannte Marktlage nachgewiesen werden kann«, so Burkardt.

Konkret werden zwei Verordnungen vorbereitet: Die Mietpreisbegrenzungsverordnung regelt, dass bei Neuverträgen die Mieten maximal zehn Prozent über dem Mietspiegelwert liegen dürfen. Die Kappungsgrenzenverordnung begrenzt die Mietsteigerung in Bestandsverträgen auf 15 Prozent in drei Jahren anstatt der sonst erlaubten 20 Prozent. Die Kappungsgrenzenverordnung soll dem Kabinett noch im Februar zugeleitet werden, die Mietpreisbegrenzungsverordnung soll nach Möglichkeit im März folgen. Beide sollen rückwirkend zum 1. Januar 2021 in Kraft treten, damit die Mieten in der Zwischenzeit nicht über Gebühr erhöht werden können. Wenn sich in einer Kommune die Datenlage ändert und ein angespannter Wohnungsmarkt gutachterlich festgestellt wird, so kann diese Kommune nachträglich in die Verordnungen aufgenommen werden.

»Es ist ärgerlich, dass durch das neue Gutachten einige Kommunen aus den Verordnungen rausfallen«, bedauerte die Abgeordnete Ricarda Budke (Grüne). »Der Bund gibt hier harte Kriterien vor, diese müssen angepasst werden, damit die Länder mehr Spielraum haben.«⋌Kommentar Seite 8

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.