Rücksichtslose Raser

Durch Lockdown weniger Verkehrsunfälle, weniger Verletzte, aber mehr Tote

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Verkehrsaufkommen wie auch die Zahl der Verkehrsunfälle und die der im Straßenverkehr Verletzten haben sich im vergangenen Jahr in Brandenburg unter dem Eindruck der Corona-Einschränkungen deutlich reduziert. Genau genommen gab es seit 1989 nicht noch einmal so wenige Unfälle. Gegen den Trend nahm aber die Zahl der Unfälle mit Todesopfern wieder merklich zu.

Insgesamt wurden 2020 im Bundesland 10 131 Menschen im Straßenverkehr verletzt. Das waren 14,5 Prozent weniger als im Jahr 2019. Innenminister Michael Stübgen (CDU) stellte die Unfallbilanz am Montag vor. Es überraschte dabei wenig, dass auch die Gesamtzahl der Unfälle um mehr als 14 Prozent auf rund 71 700 zurückging. Sonderbar aber ist, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Todesopfer um 15 auf 140 stieg. Haben Bedenkenlosigkeit, Rücksichtslosigkeit, Gleichgültigkeit und Egoismus in diesen Zeiten der vielseitigen Einschränkungen zugenommen?

Nach Analysen des Infrastrukturministeriums hat sich das Verkehrsaufkommen 2020 in Brandenburg wie auch in den anderen Bundesländern im Vergleich zum Vorjahr reduziert. Bedingt durch zwei Lockdowns nahm der Verkehr auf Autobahnen und Bundesstraßen um etwa zwölf Prozent ab, der Schwerlastverkehr auf Autobahnen aber nur um 3,1 Prozent. Innerhalb von Brandenburg gab es erhebliche Schwankungen. So waren an der Grenze zu Polen höhere Rückgänge zu verzeichnen als rund um Berlin. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr war aber rasch wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht.

Laut Innenminister Stübgen bleibt Todesursache Nummer eins die Raserei. Fast die Hälfte aller Unfalltoten ist auf überhöhte Geschwindigkeiten zurückzuführen. »Überall wurde wegen Corona mehr Rücksicht genommen, aber leider nicht von unverbesserlichen Rasern auf unseren Straßen. Sie handeln verantwortungslos und nehmen auch auf Tempolimits keine Rücksicht - das belegen unsere Zahlen eindrücklich.« 79 Menschen starben auf Landstraßen, 40 innerhalb geschlossener Ortschaften und 21 auf Autobahnen. Der Innenminister warnte, sich von Tempolimits allzu viel zu versprechen. »Gerast wird immer - mit oder ohne Tempolimit«, sagte er.

Verkehrsminister Guide Beermann (CDU) sprach von einem »atypischen Verkehrsjahr«. Auch er sagte, dass die Bevölkerung unglaublich viel Solidarität zeigte. »Ich wünsche mir, dass sich diese Solidarität künftig stärker auf den Straßenverkehr überträgt. Das Schlüsselwort hierfür heißt Rücksicht.«

»Unsere Straßen sind kein Raum für aggressiven Nervenkitzel und sinnentleerte Raserei«, setzte Polizeipräsident Oliver Stepien hinzu.

Verkehrsunfälle mit Kindern gab es im vergangenen Jahr 718, im Jahr zuvor waren es 753 Unfälle. Es verunglückten 885 Kindern, 379 als Mitfahrer im Auto. Zwei Kinder starben. Weil die Kinder angesichts des Distanzunterrichts nicht sehr häufig zur Schule gingen, reduzierte sich die Zahl der Schulwegunfälle um ein Fünftel. Auch bei den jungen Erwachsenen erhöhte sich die Zahl der Todesopfer. Sie stieg um elf auf 20.

Die Zahl der Verkehrsunfälle, bei denen Senioren beteiligt waren, sank um 13,8 Prozent auf 16 225. Über zwei Drittel wurden durch Senioren selbst verursacht. 52 Rentner wurden bei Verkehrsunfällen getötet, acht mehr als im Jahr 2019. Polizeipräsident Stepien wies darauf hin, dass immer mehr Senioren in Brandenburg leben. Bedenklich sei die hohe Zahl der in Pkw verunglückten Rentner. Häufig seien Fehler beim Wenden und beim Rückwärtsfahren gemacht worden. Auch wurde nicht auf den erforderlichen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug geachtet.

Verkehrsminister Beermann betonte, es gehe darum, dass Senioren möglichst lange mobil bleiben und ein Maximum an Verkehrssicherheit für sie und andere Verkehrsteilnehmer gewährleistet sein soll.

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