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Frauen am Limit
In der Coronakrise nimmt die Ungerechtigkeit zu - vier Fraktionen des Landtags wollen gegensteuern
»Ich weiß nicht, ob sie schon einmal gehört haben, dass einem Mann eine Vergewaltigung gewünscht wird. Frauen passiert das«, sagt am Dienstag die Landtagsabgeordnete Sahra Damus (Grüne). Gerade gesellschaftlich aktiven Frauen seien dem mitunter ausgesetzt.
In einem Antrag, den der Landtag am Donnerstag beschließen soll, heißt es: »Die Gewalt gegen Frauen ist durch die Coronakrise stärker in den Fokus gerückt, obwohl sie leider alltäglich ist.« Eingebracht haben diesen Antrag die Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne gemeinsam mit der oppositionellen Linksfraktion. Anlass ist der bevorstehende Internationale Frauentag (8. März), gute Gründe für den Vorstoß gibt es einige. Die Coronakrise und ihre Folgen legen die strukturelle Ungleichheit deutlich sichtbar frei. Bereits erkämpfte Fortschritte geraten wieder ins Wanken.
So sagt Sahra Damus, beim Homeoffice müsse man aufpassen, dass es nicht zu einer »Gleichstellungsfalle« werde, wenn die Männer schneller wieder auf ihre Arbeitsplätze im Büro zurückkehren.
Für die CDU-Abgeordnete Kristy Augustin bietet das Homeoffice den Frauen aber andererseits auch die Chance, Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bringen. Hier sieht sie eine Möglichkeit, Erfahrungen aus der Pandemie für die Zeit danach zu nutzen. Nicht umsonst fordert der Antrag der vier Fraktionen die Landesregierung auf, »eine Novelle des Landesgleichstellungsgesetzes vorzubereiten, welche die Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie aufgreift«. Dabei soll auch die geschlechtergerechte Verteilung von Homeoffice und Teilzeitarbeit berücksichtigt werden.
Es gibt in dem Antrag noch zehn weitere Punkte. So soll in allen Einrichtungen des Landes ein Entgeltgleichheitscheck gemacht werden, und es soll eine Kampagne geben, solche Überprüfungen auch in Kommunen und Unternehmen durchzuführen. Morde an Frauen sollen künftig in der Polizeistatistik gesondert ausgewiesen werden. Und möglichst ab 2023 wünschen sich die frauenpolitischen Sprecherinnen der vier Fraktionen ein Modellprojekt zur geschlechtergerechten Haushaltsführung.
»Wir reden sehr viel von Gleichstellung«, weiß die Abgeordnete Bettina Fortunato (Linke). Doch in der Realität sieht es oft immer noch oder nun wieder so aus, dass die Frau den Haushalt schmeißt und der Mann Karriere macht. Fortunato glaubt, dieses konservative Rollenbild sei nie ganz verschwunden, sondern jetzt nur wieder an die Oberfläche gekommen. In jeder zweiten Familie in Brandenburg sind beide Eltern berufstätig, doch die Mutter erledigt ein Drittel mehr Arbeit im Haushalt und bei der Betreuung der Kinder, berichtet Fortunato. Im Lockdown hat diese Ungerechtigkeit offenbar noch zugenommen.
Nicht umsonst lautet nun das Motto der diesjährigen brandenburgischen Frauenwoche »Superheldinnen am Limit«. Die oppositionelle Linke konnte die im Antrag aufgeführten Vorschläge nur unterstützen, erklärt Fortunato. Sie bedauert dabei, dass alles unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt wird. Das bedeutet, es wird nur gemacht, wenn sich die Mittel dafür auftreiben lassen. Nach Ansicht der Linksfraktion müsste es aber auf jeden Fall gemacht werden. Das Geld dürfte an dieser Stelle keine Rolle spielen und müsste sich finden.
Nur jede dritte Firma in Brandenburg werde von einer Frau geführt, heißt es. Dabei sei erwiesen, dass Existenzgründerinnen im Schnitt mehr Durchhaltevermögen beweisen als Existenzgründer. Von Betriebsschließungen in Tourismus und Gastronomie seien Frauen überproportional betroffen. Dort, wo die politischen Entscheidungen zum Lockdown fallen, seien sie aber oft unterrepräsentiert.
In den brandenburgischen Kommunalparlamenten beträgt der Frauenanteil lediglich 23 Prozent, unter den Bürgermeistern und Landräten sind sogar nur acht Prozent weiblich. Im Landtag sieht es kaum besser aus. Unter den 88 Abgeordneten gibt es 30 Frauen. In der AfD-Fraktion gibt es 18 Männer und fünf Frauen, in der CDU-Fraktion zehn Männer und fünf Frauen, in der SPD-Fraktion 18 Männer und sieben Frauen und bei den Freien Wählern drei Männer und zwei Frauen. Anders ist es nur bei den Grünen (vier Männer und sechs Frauen) und in der Linksfraktion (fünf Männer und fünf Frauen).
Insgesamt hätte es künftig etwas anders aussehen können, wenn das Landesverfassungsgericht nicht das Paritätsgesetz gekippt hätte. Das Gesetz schrieb den Parteien vor, Landeslisten bei kommenden Landtagswahlen im Reißverschlussverfahren mit Männern und Frauen zu besetzen. Auch die SPD-Abgeordnete Elske Hildebrandt muss das Gerichtsurteil akzeptieren, wie sie bedauernd mitteilt. Die vier Fraktionen wollen der Regierung aber auftragen, ein Gutachten darüber erstellen zu lassen, welche anderen Möglichkeiten es gibt, Parität in den Parlamenten zu erreichen.
Wegen dieses Punktes haben sich die Freien Wähler der frauenpolitischen Initiative der vier anderen Fraktionen nicht angeschlossen. Deswegen wollen sie sich auch bei der Abstimmung am Donnerstag enthalten. Es sei nicht angängig, das Verfassungsgericht wenige Monate nach seinem Urteil zu maßregeln, erklärt Fraktionschef Péter Vida. Unter staatspolitischen und juristischen Gesichtspunkten sei dieses Anliegen des gemeinsamen Antrags »nicht opportun«. Dagegen betont Hildebrandt: »Mädchen brauchen Vorbilder«, also Frauen in Führungsfunktionen und in den Parlamenten.
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