Verteidigungsausschuss getäuscht

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer (CDU) hält an umstrittenem Personal vorerst fest

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 3 Min.

Die rechtswidrig gewährte Amnestie für Angehörige des Kommandos Spezialkräfte der Bundeswehr, die gestohlene Munition zurückgaben, hat den Druck auf Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und auf Verantwortliche des Militärs noch einmal erhöht. Am Mittwoch musste die Ministerin im Verteidigungsausschuss des Bundestages zur neuesten KSK-Affäre Rede und Antwort stehen.

Die große Frage: Seit wann wusste »AKK« persönlich davon, dass der Kommandeur des KSK im badenwürttembergischen Calw Straffreiheit zugesichert hatte, wenn verschwundene Munition und Sprengstoff zurückgegeben werden.

Kramp-Karrenbauer will nach Informationen aus Ausschusskreisen erst durch die Berichterstattung aus der »taz« von der Amnestie im KSK erfahren haben. Im Laufe eines Gerichtsprozesses hatte ein beschuldigter KSK-Soldat, in dessen Garten Munition, Sprengstoff, eine Kalaschnikow und Nazi-Devotionalien gefunden worden waren, ausgesagt, die Möglichkeit einer straffreien Rückgabe habe bis in den April 2020 hinein existiert. Der Rechercheverbund von NDR und WDR hatte über interne Unterlagen aus dem KSK berichtet, die einen entsprechenden Vorgang und damit die Kenntnis der Bataillonsführung belegen würden.

Dieser Vorgang ist in doppelter Hinsicht problematisch. Zum einen wirkt die Fristsetzung der Amnestie, als habe jemand das KSK über einen bevorstehenden Zugriff bei dem KSK-Soldaten informiert. Die gut drei Wochen vor dem Zugriff ausgelaufene Frist hatte der zunächst wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz angeklagte KSK-Mann ungenutzt verstreichen lassen.

Zum anderen kommt ein Befehl für eine derartige Amnestie möglicherweise dem Straftatbestand der Strafvereitelung im Amt gleich, je nachdem, wie viel Munition zurückgegeben wurde. Angesichts der Mengen an fehlender Munition, die beim KSK im Bereich von mehreren Zehntausend Schuss gelegen haben, und des Fehlens von zunächst 62 Kilogramm Sprengstoff ist von Straftaten auszugehen. Für Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion, ist klar: »Die Munitionsrückgabe-Amnestie beim KSK war eine illegale Aktion und Strafvereitelung im Amt.« Der KSK-Kommandeur, der dies angeordnet habe, sei »nicht mehr haltbar«.

Wie aus Ausschusskreisen zu erfahren war, verschwand die Information über die Amnestie auf ihrem Weg durch die Bundeswehrhierarchie. Zuletzt sei diese in einem Vorbericht vorhanden gewesen, der vom Heer an den ranghöchsten Soldaten Eberhard Zorn gegangen sei. Dieser habe jedoch die entsprechende Passage entfernt und dem Verteidigungsausschuss vorenthalten.

»Beim Zwischenbericht zum KSK vom Oktober 2020 ist das Parlament nicht über die Munitionsrückgabe-Amnestie informiert worden. Hier lag also offensichtlich eine Täuschung des Verteidigungsausschusses vor«, fasst Pflüger den Sachstand zusammen. Angesichts der engen Zusammenarbeit mit der Spitze des Ministeriums ist auch dort ein Verantwortlicher zu suchen. »Die Person im Ministerium, die davon wusste oder das angeordnet hat, muss zurücktreten«, fordert Pflüger. Der ganze Vorgang zeige, dass das KSK aufgelöst werden müsse. Denn die großzügig eingeräumte Bewährungschance sei nicht genutzt worden.

Kramp-Karrenbauer ist indes bislang nicht bereit, personelle Konsequenzen zu ziehen und führt »laufende Ermittlungen« an. In der kommenden Woche solle es einen weiteren Bericht zum Munitionsthema geben sowie Ende März einen generellen Zwischenbericht. Über den Verbleib von KSK-General Markus Kreitmayr solle in der kommenden Woche entschieden werden. Ein Rücktritt von Generalinspekteur Zorn scheint zunächst kein Thema zu sein.

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