Coronakrise lässt die Innenstädte aussterben

Linksfraktion und Freie Wähler fordern konkreten Fahrplan für die Öffnung von Gaststätten und Geschäften

  • Andreas fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Was sagt der Wirt seinen Köchen und Kellnern, wann sie wieder Mahlzeiten zubereiten und servieren können? Was macht der Modehändler? Bestellt er die Kollektion für das Frühjahr, den Sommer oder gleich den Herbst? Das wollte Linksfraktionschef Sebastian Walter am Donnerstag im Landtag wissen. Denn dem Wirt fehlt eine Orientierung, wann er seine Gaststätte wieder öffnen darf. Dem Modehändler geht es mit seinem Laden genauso.

Am Dienstag hat die rot-schwarz-grüne Landesregierung zwar einen Stufenplan für Lockerungen der Corona-Maßnahmen vorgelegt. Doch Linksfraktionschef Walter fehlen dabei »Fakten, Daten, Zahlen«. Er kritisiert die Regierung: »Das Papier und die Zeit für diesen Plan hätten Sie sich wirklich sparen können.« Walter fügt hinzu: »Ihre Pläne sind ein bisschen so wie meine Frisur, wenn ich früh aufstehe - zerzaust.« Der Linksfraktionschef fürchtet ein Chaos wie beim Impfen. Warum am 1. März neben Friseursalons nun auch Blumenläden und Gartencenter öffnen dürfen, andere Geschäfte aber nicht, vermag er nicht einzusehen. »Statt Durchhaltereden gibt es jetzt Vergissmeinnicht - oder was?«

Der CDU-Mittelstands- und Handwerksexperte Frank Bommert hat schon erlebt, wie Firmen zusammenbrechen. Er hätte sich von dem einen oder anderen Politiker etwas mehr Mitgefühl für die Betroffenen gewünscht, gibt er zu. »Ich hoffe, dass die Läden bald wieder geöffnet werden können, weil: Ich verstehe die Leute.« Den Antrag der Linksfraktion, gemeinsam mit der brandenburgischen Wirtschaft Wiedereröffnungspläne zu erarbeiten, bezeichnet Bommert jedoch als »populistisch aufgeladen«. Das ist sein Argument, ihn abzulehnen.

Heiner Klemp geht anders vor. Man könne jetzt nicht auf Pläne vertrauen, die man dann wieder über den Haufen werfen müsse, sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion. Die Grundschulen seien seit Montag im Wechselunterricht. Man müsse nun einmal abwarten, wie sich die Infektionszahlen entwickeln.

Da ist es wieder, das sprichwörtliche Fahren auf Sicht. Die Koalition versuche, sich herauszuwinden, schimpft Philip Zeschmann, Wirtschaftsexperte der Freien Wähler. Er bestätigt die Einschätzung der Linksfraktion, dass Brandenburgs Regierung im Gegensatz zu anderen Bundesländern bisher keine eigenen Pläne für Lockerungen habe. Die Freien Wähler haben vor zwei Wochen ihren Öffnungsplan vorgelegt, erinnert Zeschmann. Würde sich das Land daran halten, wären jetzt die Geschäfte der meisten Branchen wieder offen. Denn empfohlen hatten die Freien Wähler eine Öffnung bei weniger als 65 Corona-Neuinfektionen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Am Donnerstag liegt der Wert landesweit bei 62,7 - in einzelnen Landkreisen allerdings auch deutlich darüber oder darunter. Es könnte ja auch berücksichtigt werden, wie viele Brandenburger jeweils schon gegen das Coronavirus geimpft sind, schlägt Zeschmann vor.

Da zeigt sich ein weiteres Problem. Erst knapp 74 000 Brandenburger haben bereits ihre zweite Impfdosis erhalten, nach der sich der volle Schutz der Impfung erst entfaltet. Rund 21 000 Einwohner bekamen bisher lediglich die erste Dosis und die Mehrzahl der Menschen noch nicht einmal die. Brandenburg bildet damit bundesweit das Schlusslicht, rügen die Abgeordneten Sebastian Walter und Philip Zeschmann.

Zeschmann warnt, die Coronapolitik werde aussterbende Innenstädte zur Folge haben. Den Antrag der Linksfraktion lehnte die Koalition aus SPD, CDU und Grünen dennoch ab. Die Freien Wähler stimmten für den Antrag, die AfD enthielt sich.

Bund und Länder hatten sich am 10. Februar verständigt, den Einzelhandel und die Museen erst zu öffnen, wenn stabil höchstens 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner gemeldet werden.

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