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Projekte gegen Rassismus blockiert

Bundesfinanzministerium hält vorgesehene Mittel für den Kampf gegen Rechtsradikalismus zurück

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Kurz nach den Jahrestagen der rechtsextremen Anschläge von Halle und Hanau verzögern Unstimmigkeiten in der Bundesregierung die Finanzierung von Projekten gegen Antisemitismus und Rassismus. Nach der Nachrichtenagentur dpa vorliegenden Unterlagen verweigern Ressorts die Mitzeichnung des Abschlussberichtes an den Kabinettsausschuss unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Hintergrund ist die fehlende Freigabe von Mitteln aus dem Haushalt 2021 durch das vom SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz geführte Finanzministerium. Ohne die Mittel könnten Projekte nicht beginnen, heißt es.

Nach den rechtsextremen Morden von Hanau 2020 und dem antisemitischen Anschlag von Halle im Jahr zuvor hatte der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus im November vergangenen Jahres ein 89 Punkte umfassendes Papier verabschiedet. Damit sollten rasch konkrete Vorhaben zur Rassismusbekämpfung und gegen Extremismus angegangen werden. Im Haushalt 2021 sind dafür bereits 150 Millionen Euro an globalen Mehrausgaben etatisiert. An diese Mittel kommen die beteiligten Ministerien aber bisher nicht ran.

In Halle wollte ein schwerbewaffneter Deutscher im Oktober 2019 am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur eine Synagoge stürmen. Eine schwere Holztür verhinderte ein Massaker. Vor der Festnahme erschoss der Mann zwei Unbeteiligte. Er gestand rechtsextreme und antisemitische Motive. Der Täter wurde zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. In Hanau hatte ein Deutscher im Februar 2020 neun Menschen mit Migrationshintergrund getötet. Anschließend tötete er mutmaßlich seine Mutter und sich selbst. Er habe eine zutiefst rassistische Gesinnung gehabt, so die Bundesanwaltschaft.

»Wir alle in Politik und Gesellschaft müssen wachsam sein und uns dem Hass, der Nährboden für Gewalttaten wie diese ist, entgegenstellen. Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus hat höchste Priorität«, erklärte Bundesjustizministerin Franziska Giffey (SPD) anlässlich des Jahrestags des Anschlags von Hanau Mitte Februar. »Als Gesellschaft müssen wir geschlossen gegen Rassismus vorgehen, weil er unser friedliches Zusammenleben gefährdet und zerstört.«

Im Rahmen des im November vom Kabinett beschlossenen Maßnahmenkatalogs soll unter anderem das Bundesprojekt »Demokratie leben!« gestärkt werden. Sein Etat soll bis 2024 auf rund 200 Millionen Euro jährlich anwachsen. Davon profitierten sollten dieses Jahr unter anderem lokale Initiativen sowie Ausstiegsprogramme und Projekte gegen Verschwörungstheorien.

Von Seiten einiger Ressorts wird in der Auseinandersetzung bezüglich der blockierten Finanzmittel auf besondere Dringlichkeit hingewiesen, auch weil an geplanten Projekten beteiligte Co-Finanzierer abspringen könnten. Für den von Seiten der Regierung versprochenen zügigen Beginn der Projekte bedarf es danach Planungs- und Finanzsicherheit. Nach den internen Unterlagen sehen beteiligte Ressorts bereits einen »Imageschaden« für die Regierung.

Das kritisierte Bundesfinanzministerium ließ Fragen zu Gründen für die fehlende Freigabe auf Anfrage weitgehend unbeantwortet. Für die Bundesregierung sei die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus ein zentrales Anliegen, hieß es.

Für die anstehenden Abstimmungen im Rahmen der Arbeit im Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus werde das Finanzministerium »zeitnah« einen Vorschlag für die Verteilung der 150 Millionen Euro machen. Es erscheine »unwahrscheinlich, dass bereits im Februar des laufenden Haushaltsjahres die Mittel einzelner Ressorts in diesem Bereich so weit erschöpft sind, dass Planungen unterbleiben müssten«. dpa/nd Kommentar Seite 8

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