Politischer Epochenwechsel in El Salvador
Der Partei »Neue Ideen« von Präsident Bukele gelingt bei den Parlamentswahlen ein Erdrutschsieg
Die Partei Nuevas Ideas (Neue Ideen) von Präsident Nayib Bukele hat die Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag im zentralamerikanischen El Salvador klar gewonnen. Aus dem Stand errang die neue politische Gruppierung weit mehr als die Hälfte der 84 Parlamentssitze. Anders als bisher kann Bukele nun ohne Absprachen mit der Opposition durchregieren. Das Ergebnis ist ein politischer Epochenwechsel für El Salvador - schließlich war das Land fast drei Jahrzehnte lang von zwei Parteien dominiert worden, die aus dem 1992 beendeten Bürgerkrieg hervorgegangen waren: der rechten ARENA-Partei und der linken FMLN, dem politischen Arm der ehemaligen Guerilla. Beiden Parteien droht im neuen Parlament die politische Bedeutungslosigkeit, da die Regierungspartei Nuevas Ideas voraussichtlich über eine Zweidrittelmehrheit verfügt, mit der sie selbst Verfassungsänderungen ohne die Zustimmung der Opposition durchsetzen kann.
»Ein kleiner Teil der Bevölkerung ist sich der Gefahren bewusst, die diese Machtkonzentration mit sich bringt«, sagt Jessica Estrada vom salvadorianischen Thinktank »Stiftung für Entwicklung« (FUNDE). »Aber die Mehrheit ist einfach enttäuscht von den früheren Regierungen und unterstützt Bukele fast bedingungslos.« Tatsächlich haben es weder die rechte ARENA-Partei noch die linke FMLN seit Ende des Bürgerkrieges geschafft, die grundlegenden Probleme des Landes wie Armut, Gewalt und Korruption in den Griff zu bekommen.
Besonders bitter ist das starke Abschneiden der neuen Regierungspartei für die FMLN - schließlich hatte der erst 39-jährige Bukele seine politische Karriere als Bürgermeister eines kleinen Vorortes von San Salvador in der Ex-Guerilla-Partei begonnen. Überraschend schnell war er schon 2015 zum Bürgermeister der Hauptstadt aufgestiegen - für die FMLN, mit der er sich dann aber überwarf. »Niemand hat es damals für möglich gehalten, dass eine neue politische Kraft auftauchen würde, die ARENA und die FMLN verdrängt«, sagt Estrada. Andere Parteineugründungen waren allesamt gescheitert.
In atemberaubender Geschwindigkeit hat Präsident Bukele das traditionelle Parteiengefüge verändert. Vor zwei Jahren war er als Kandidat der kleinen Partei GANA mit überwältigender Mehrheit zum Staatsoberhaupt gewählt worden - seine eigene Partei Nuevas Ideas war zu diesem Zeitpunkt noch nicht offiziell zugelassen. Der Sieg bei den Parlamentswahlen zeigt, dass es sich bei Bukeles Wahlerfolgen wohl um ein dauerhaftes Phänomen handelt.
Dabei ist Bukele keineswegs unumstritten: Er gilt als äußerst autoritärer Staatschef, der sich über Gerichtsentscheidungen hinwegsetzt und demokratische Grundprinzipien wie Gewaltenteilung und den respektvollen Umgang mit dem politischen Gegner missachtet. Als wenige Wochen vor der Wahl zwei Mitglieder der FMLN von Anhängern des Präsidenten nach einem Disput auf offener Straße erschossen worden waren, rief Bukele nicht zu Gewaltverzicht und Mäßigung auf, sondern machte sich über die Tat lustig. »Es scheint, dass Bukele diese Art von Zusammenstößen, bei denen seine Anhänger ihn bis aufs Blut verteidigen, sogar genießt«, meint Jessica Estrada von FUNDE.
Doch selbst der Umgang mit dem Mord an den zwei FMLN-Anhängern hat den Wahlausgang offenbar nicht beeinflusst. Präsident Bukele hat dauerhaft überragende Umfragewerte und gilt als einer der beliebtesten Regierungschefs Lateinamerikas. Sympathien dürfte ihm vor allem die drastische Reduzierung der hohen Gewaltrate eingebracht haben - Kritiker monieren allerdings, dass diese nur durch geheime Absprachen mit gewalttätigen Jugendbanden zustande gekommen sei, die ganze Stadtviertel kontrollieren.
Der Wahlsieg von Nuevas Ideas könnte auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den USA haben. US-Präsident Joe Biden hat bereits angekündigt, sich im Gegensatz zu seinem Vorgänger wieder stärker um den Kampf gegen die Korruption als wichtigen Teil der Fluchtursachenbekämpfung in Zentralamerika kümmern zu wollen. Allerdings dürfte Präsident Bukele kaum Interesse daran haben, seine oft intransparente Amtsführung von einer unabhängigen Kontrollinstanz prüfen zu lassen. Stattdessen wird schon spekuliert, dass er mit seiner soliden Mehrheit im Parlament eine verfassungsgebende Versammlung einberufen könnte, um seine Macht mit einer maßgeschneiderten Verfassung auf lange Sicht abzusichern.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.