Coronatod eines Wahlkreismitarbeiters

Frank Hübner war lange an der Seite des Linke-Politikers Christian Görke, jetzt starb er mit 54 Jahren

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

»Mehr als 30 Jahre hast Du mit uns gekämpft um ein soziales und gerechtes Land. Den Kampf gegen das Coronavirus hast Du verloren«, schreibt die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige (Linke) in einem kurzen Nachruf. »Wir werden Dich niemals vergessen.« Am Dienstagabend starb im Alter von 54 Jahren Frank Hübner, Wahlkreismitarbeiter des Landtagsabgeordneten Christian Görke (Linke) in Rathenow. Er fing bei ihm an, nachdem Görke 2005 als Nachrücker erstmals in den Landtag einzog. Als Görke 2014 Finanzminister wurde, folgte ihm Hübner nach Potsdam, ab 2019 war er wieder Wahlkreismitarbeiter in Rathenow. »Es macht mich sehr traurig, diesen feinen Menschen nicht mehr an meiner Seite zu haben«, sagt Görke am Donnerstag. »Wir hatten viele gemeinsame Erfolge, aber auch einige Niederlagen. Die Niederlage im Kampf gegen dieses Virus lässt mich ratlos und bedrückt zurück.«

Hübner sei niemand gewesen, der in die erste Reihe wollte, aber ohne ihn »wäre die erste Reihe nichts gewesen«, würdigt ihn Johlige. Organisation, Pressearbeit, Kontakte pflegen, das seien seine Stärken gewesen. Landtags- und Bundestagsabgeordnete bekundeten ihr Beileid. »Ich habe mich immer gefreut, mit ihm zu sprechen«, reagierte Brandenburgs Ex-CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski auf die Nachricht. »Geärgert habe ich mich aber auch, weil er meinen Kollegen Christian Görke so gut vermarktet hat. Er hat alles gut gemacht, und ich kenne niemanden, der ihn nicht mochte. Ich werde Frank Hübner in guter Erinnerung behalten.«

Da sich Hübner früher selbst journalistisch betätigte, wusste er, was Redakteure brauchen. Telefonierte man in einer Sache mit ihm, waren Fragen fast überflüssig. Er erzählte gut recherchiert die fertige Geschichte, die eigentlich nur noch aufgeschrieben werden musste. Bei der routinemäßigen Überprüfung der Fakten zeigte sich: Was Hübner erzählte, hatte Hand und Fuß. Das erste Mal hatte ich 2007 mit Hübner zu tun, als ich über eine Familie berichtete, die nach Kamerun abgeschoben werden sollte und deren Kinder Christian Görke als Lehrer unterrichtet hatte. Das letzte Mal traf ich ihn Ende 2018 in Rathenow, als sein Chef zum Direktkandidaten im Landtagswahlkreis nominiert wurde. Wie immer war Hübner freundlich und hilfsbereit, obwohl er gesundheitlich angeschlagen war. Wegen seiner schweren Diabetes wollte eine Wunde an seinem Fuß nicht heilen.

Vor einem Monat meldete er sich krank. Er glaubte, die Diabetes mache ihm wieder einmal zu schaffen. Erst als er ins Krankenhaus musste, wurde bei dem fälligen Coronatest erkannt, dass er sich mit der südafrikanischen Mutation infiziert hatte. Zuletzt hieß es, sein Zustand habe sich stabilisiert.

Noch im Sommer, als in Brandenburg über Monate keine Coronatoten und fast keine Infektionen gemeldet wurden, hegte Hübner gewisse Zweifel, ob die Angst vor der Pandemie nicht übertrieben sei. Er teilte bei Facebook Aussagen des Virologen Hendrik Streek, der für Lockerungen eintrat, und klagte privat gegen die brandenburgische Eindämmungsverordnung. Doch als im Herbst die zweite Welle kam, nahm Hübner die Gefahr ernst und sah sich vor, versichert die Abgeordnete Johlige. Im Dezember verbreitete Hübner einen Aufruf an Pflegekräfte weiter, sich zur Unterstützung im Falle eines Corona-Ausbruchs in Seniorenheimen zu melden. Wo er sich angesteckt hat, weiß man nicht.

Mittlerweile sind 3.055 Brandenburger mit einer Corona-Infektion gestorben. Im Havelland stieg die Zahl der gemeldeten Todesfälle in den vergangenen zwei Tagen um vier auf 147. Ob die Statistik da schon Frank Hübner erfasste, lässt sich nicht sagen.

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