Brandenburg bleibt Schlusslicht bei Corona-Impfungen
Bislang sind nicht einmal alle über 90-Jährigen vor dem Virus geschützt
Brunhilde Hanke feiert in zwei Wochen ihren 91. Geburtstag. Und Glückwunsch - nachdem ihr erster Corona-Impftermin abgesagt wurde, hat sie nun in dieser Woche endlich ihren Ersatztermin. Als die Potsdamerin die in einem Brief angegebene Sonderrufnummer wählte, hing sie eine Stunde lang vergeblich in der Warteschleife und gab auf. Später versuchte es ihr Sohn für sie und hatte nach geschlagenen 40 Minuten Erfolg. Nun sorgt sich die Seniorin noch, ob sie vor dem Impfzentrum in der Metropolishalle im Stadtteil Babelsberg wird lange in der Warteschlange stehen und frieren müssen.
Am Montag fährt Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) dorthin, um sich ein Bild von den Missständen zu machen, über die in der vergangenen Woche berichtet wurde. Hinterher äußert sich Nonnemacher »angenehm überrascht«. Es seien große Zelte und Sitzgelegenheiten vor der Halle aufgebaut gewesen, und es habe draußen keine Schlangen gegeben, weil drinnen mehr Registrierungsstellen eingerichtet wurden. »Das scheint mir gut gelöst«, sagt die Ministerin.
Trotzdem läuft nach wie vor eine Menge schief. 129 121 Erstimpfungen und 77 359 Zweitimpfungen sind bislang im Land Brandenburg verabreicht worden. Erst 5,1 Prozent der Bevölkerung sind geimpft. Mit diesem Wert ist Brandenburg im Bundesvergleich das Schlusslicht. »Wir können nicht zufrieden sein, dass wir nicht aufgeholt haben«, bekennt die Gesundheitsministerin - zur Selbstkritik gedrängt. »Wir stehen im Länderranking immer noch schlecht da.«
Etwa 40 000 Impfungen sollen in der laufenden Woche erfolgen. In den Impfzentren in Prenzlau, Elsterwerda und Kyritz sind zusammen noch etwa 1000 Termine frei, alle anderen Impfzentren sind ausgebucht. In nur vier Hausarztpraxen wird mittlerweile auch geimpft. Groß angekündigt war, dass im Rahmen eines Modellprojekts in zunächst 50 ausgewählten Praxen geimpft werde. »Dass Hausärzte impfen können, brauchen wir nicht zu beweisen«, versichert Holger Rosteck von der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg. Aber: »Wir haben zwar im Moment Impfstoff da, aber nicht so viel, dass man Hausarztpraxen mit Mengen versorgen könnte.« Vielleicht werde das ab April möglich sein.
Noch sind längst nicht alle über 80-Jährigen geimpft. Wie viele noch warten, wissen die Verantwortlichen aktuell allerdings nicht. Vorige Woche war von 15 bis 20 Prozent die Rede. Nun können sich aber auch schon die über 70-Jährigen in das Rennen um einen Termin einschalten - wenn sie den Impfstoff der Pharmafirma Astra-Zeneca akzeptieren. Termine können online über die Seite impfservice.de gebucht werden. Der technische Fehler vom Wochenende, dass das bei Eingabe eines Alters über 65 Jahre nicht funktioniert, soll inzwischen behoben sein.
In der laufenden Woche sollen endlich alle über 85-jährigen Brandenburger den Brief mit der Sonderrufnummer zur Terminvergabe erhalten haben. Vor sechs Tagen traf der langersehnte Brief bei der Großmutter des Landtagsabgeordneten Ronny Kretschmer (Linke) ein. Nach einer halben Stunde in der Warteschleife konnte ein Termin vereinbart werden. »Nach Hunderten erfolglosen Versuchen ein Lichtblick«, kommentiert Ronny Kretschmer. Er fragt sich, warum die Senioren nicht von Anfang an Jahrgang für Jahrgang Briefe erhalten haben.
Ab dem 10. März soll im Landkreis Ostprignitz-Ruppin ein Impfbus eingesetzt werden. Die ersten Stationen sind Rheinsberg, Freyenstein und Fehrbellin.
Indessen dürfen seit Montag in Brandenburg bislang geschlossene Geschäfte des Einzelhandels wieder öffnen. Die Kunden müssen zum Einkaufen allerdings einen Termin vereinbaren. Auch Kosmetik-, Tattoo- und Sonnenstudios können unter Auflagen öffnen, ebenso Museen und Bibliotheken. Das Kunstmuseum Dieselkraftwerk in Cottbus öffnet an diesem Dienstag, das Museum Barberini in Potsdam am 13. März. In die entsprechende Corona-Verordnung ist allerdings eine Notbremse eingebaut: Sobald es in einem Landkreis innerhalb einer Woche mehr als 200 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner gibt und der Wert drei Tage lang so hoch bleibt, werden die Lockerungen zurückgenommen. Im Landesdurchschnitt liegt der Wert jetzt bei 63, am höchsten liegt er mit 118 im Landkreis Oberspreewald-Lausitz.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.