Durchs Leben taumeln

Worin die Faszination der Metalldetektorensuche liegt, zeigt die britische Serie »Detectorists«

  • Jens Buchholz
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein trockener Feldweg, gesäumt von einer sattgrünen Wiese, in einer windgekräuselten Pfütze spiegelt sich der mattblaue Wolkenhimmel. Ein kleines Plastikkörbchen treibt auf der Wasseroberfläche. Ein dezenter Vogelchor vertont das beschauliche Landschaftsgemälde. Im Hintergrund schwenken ein langer, dürrer und ein kleiner, stämmiger Mann mit konzentriert auf den Boden gerichtetem Blick Metalldetektoren über die Wiese. Es wirkt ein bisschen, als hätten sich zwei sympathisch-skurrile Figuren Carl Spitzwegs in ein Landschaftsgemälde von John Constable verlaufen.

Das ist eine sehr typische Szene aus der warmherzigen und langsam dahinfließenden britischen Serie »Detectorists«. Eine Serie, die in so vielerlei Hinsicht auf wohltuende Weise sämtliche Standards moderner Serien unterläuft, dass man am Ende jeder Folge weinen möchte. Weinen vor Erleichterung, dass so etwas überhaupt möglich ist.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen Lance (Toby Jones, bekannt als Bösewicht aus »Sherlock« und den »Avengers«) und Andy (Mackenzie Crook, kennt man als den dürren Piraten aus Captain Jack Sparrows Mannschaft in den »Fluch-der-Karibik«-Filmen). Lance ist Mitte fünfzig und schiebt eine ruhige Kugel als Gabelstaplerfahrer. Seine Ex-Frau Maggie betreibt mit ihrem neuen Lover, einem »Pizza Hut«-Filialleiter, einen New-Age-Laden. Der hagere Andy lebt mit seiner Freundin Becky zusammen. Sie ist Lehrerin, er ist arbeitslos und wäre gerne Archäologe. Er lebt von kleinen Jobs, die ihm die Arbeitsagentur vermittelt. Lance und Andy suchen mit ihren Metalldetektoren nach Gold und finden alte Kleiderbügel, Dosenöffnungsringe aus den 70er Jahren und alte Pennies, mit denen sie in ihrem Stammpub das Bier bezahlen. Die beiden sind Mitglieder im »Danebury Metall Detecting Club«. Danebury ist eine fiktive Kleinstadt in Essex. Die Mitglieder dieses Vereins sind so hypernormal, dass es einen wohlig schaudert. Da ist der pompöse Vereinsvorsitzende Terry, Polizist im Ruhestand, der mit seinem ausladenden Schnauzbart wirkt wie der Wachtmeister Dimpfelmoser von Essex. Terry vergöttert seine Frau, eine in die Jahre gekommene britische Variante von Marilyn Monroe, die als Orakel in ihrer liebenswürdigen Art immer wieder unbequeme Wahrheiten ausspricht. Außerdem gehören ein lesbisches Pärchen, ein graubärtiger Freak mit Helmut-Kohl-Brille und der nur scheinbar junge Hugh dem Club an.

Das klingt nach typischem Sitcom-Klamauk. Aber es gibt in dieser Serie keine schalen Schenkelklopf-Späße. Es gibt auch nicht die billigst-naheliegende Gehässigkeit, wie sie sich die Figuren aus US-amerikanischen Sitcoms pseudowitzig vor den Latz knallen. Obwohl die Figuren in ihrer Seltsamkeit Anlass dazu bieten würden, macht sich die Serie nie über sie lustig. Das hervorragende Ensemble nimmt seine Figuren absolut ernst. Der Humor entsteht eher aus Situationen, in denen die Figuren mit stoischer Melancholie das Scheitern ihrer Suche nach Glück ertragen, um es dann ganz unerwartet woanders zu finden. Und während die Männer eher orientierungslos durch ihr Leben taumeln, nehmen die Frauen die Dinge in die Hand und sind ihren dahinträumenden Männern einen Schritt voraus.

Geschrieben und inszeniert wurde die Serie von ihrem Hauptdarsteller Mackenzie Crook. Seine ruhige Regie verleiht den halbstündigen Folgen einen elegisch getragenen Rhythmus. Gefilmt wurde mit nur einer Kamera. Es gibt kaum die üblichen Schuss-Gegenschuß-Aufnahmen, wenn die Figuren miteinander sprechen. Meistens wird ein feststehender, sorgfältig arrangierter Bildausschnitt gefilmt. Oft sind im Vorder- und Hintergrund Details zu sehen. Krümel auf dem Tisch, Plastikmüll in der grünen Landschaft oder Lance’ merkwürdiger Triumph-Sportwagen. So entsteht der Eindruck, man betrachte bei einem geruhsamen Gang durch ein Museum Gemälde, die wie ein Comic eine Geschichte erzählen. Es entsteht ein sanfter Erzählfluss, der auch den Nebenfiguren viel Platz lässt.

Wenn die Kamera in Bewegung kommt, dann erzählt sie etwas. Wenn Lance und Andy gemessenen Schrittes mit ihren Detektoren übers Feld ziehen, durchbricht die Kamera die Grasnarbe und taucht in die Erde ein, wo nur für die Zuschauer ein wartender Schatz sichtbar wird. Oder die Kamera hebt für eine Landschaftstotale zum Drohnenflug ab - und findet auch da einen Schatz.

Der Soundtrack des Folksängers Johnny Flynn (gerade als Schauspieler in »Die Ausgrabung« zu bewundern) trägt dazu bei, zu verstehen, worin die Faszination der Metalldetektorensuche liegt. Lance und Andy atmen die Geschichte der Landschaft. Aber zugleich ist die Suche nach dem Schatz natürlich auch eine Metapher für die Suche nach dem Glück. »I felt the touch of the kings and the breath of the wind / I knew the call of all the song birds / They sang all the wrong words / I’m waiting for you…«, singt Flynn in dem atmosphärischen Titelsong. Folkmusik ist auch noch in ganz anderer Hinsicht Thema der Serie. Die Gegenspieler und Spiegelbilder von Lance und Andy sind zwei andere Metalldetektoristen, mit denen sie sich genüsslich beharken. Ein großer, blond gelockter Mann und ein kleiner mit schwarzem Schnauzbart. Sie bekommen den Spitznamen Simon & Garfunkel.

Jede der drei Staffeln der Serie besteht aus sechs halbstündigen Folgen. Nach der zweiten Staffel gab es ein sehr gelungenes Weihnachtsspecial. Mit der dritten Staffel mündet die Serie in ein sattes bitter-süßes Happyend. Momentan findet man die Serie als verborgenen Schatz in der Arte-Mediathek.

»Detectorists« in der Arte-Mediathek

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