- Aus dem Netz gefischt
- #TeamStrobl
Natascha Strobl: »Ich bin kein public good«
Nach einem Shitstorm pausiert die Rechtsextremismus-Analystin Natascha Strobl auf Twitter
Manchmal ist es komplizierter, als es auf den ersten Blick erscheint. Das gilt auch für den Shitstorm, den die Expertin für extrem rechte Bewegungen, Natascha Strobl, in den letzten Tagen auf Twitter erfuhr. Wer liest, was unter dem Hashtag #TeamStrobl geschrieben wird, könnte schnell den Eindruck bekommen, Linke bekunden ihre Solidarität mit ihr, weil sie von Rechten attackiert wird. So ist es zwar auch, aber es ist leider nicht so einfach.
Zu der ganzen Geschichte gehört der Anfang. Und angefangen hat es mit einem Artikel von Harry Bergmann, der am Montag auf der Homepage der österreichischen, linksliberalen Zeitung »Der Falter« erschienen ist. Dort berichtete Bergmann von seinen persönlichen Beobachtungen von linken und rechten Demonstrationen, die sich am Samstag in Wien ereigneten. Er sei selbst vor Ort gewesen und habe bei den Linken anti-israelische Sprachchöre gehört. Bergmann, der selbst Jude ist, problematisierte in seinem Beitrag auch die Verunglimpfung der Naziverbrechen auf der rechten Demonstration und gab dem ganzen den Titel: »Was fängt da an? Bitte keine schnellen Antworten!«
Nach der Veröffentlichung des Artikels fragte Strobl auf Twitter, was genau das für Sprachchöre gewesen seien. Im Gespräch mit »nd.DerTag« erläutert sie, dass sie aufklären wollte, was auf der Demonstration passiert war. Zahlreiche linke Österreicher*innen meldeten sich zu Wort und zweifelten an, dass es auf der linken Demonstration anti-israelische Äußerungen in großem Stil gegeben habe. Es wurde darauf verwiesen, dass es sich um eine antideutsche Antifa-Demonstration gehandelt habe und Kritik an Israel dort nicht geduldet werde.
Der Kolumnist Bergmann sah sich deswegen jedoch großer Kritik ausgesetzt und veröffentlichte über diese Twitter-Diskussion einen weiteren Artikel, der am Mittwoch auf der Homepage des »Falter« erschien. Unter dem Titel »Traum und Wirklichkeit« schrieb er, er sei in die »gnadenlos egozentrische, Twitter-Gerichtsbarkeit gefallen.« Er habe als »Ohren- und Augenzeuge« angefangen »und endete auf der Anklagebank«, so Bergmann, der auf »nd«-Anfragen zum Artikel nicht reagierte. Wenngleich er Natascha Strobl in diesem Text nicht namentlich erwähnte, war allen, die die Diskussion verfolgt hatten, klar, dass sie gemeint war.
Nach Erscheinen des Artikels prasselte Kritik auf Strobl ein. »Ich mache dem ›Falter‹ nicht den Vorwurf, diese Entwicklungen nicht vorgesehen zu haben, sondern, dass er an keinem Punkt der Eskalation eingeschritten ist«, sagt Strobl. Die Diskussionen zogen immer größere Kreise. So bekamen auch rechte User*innen - denen Strobl mit ihren viel geteilten Analysen zur extremen Rechten seit Langem ein Dorn im Auge ist - Wind von den Vorwürfen gegen die Analystin. Sie machten sich die Kritik zu eigen und setzten Tausende Tweets gegen die Politikwissenschaftlerin ab. Oftmals bezogen sie sich auf die indirekte Anschuldigung von Bergmann gegen Strobl, nach welchem sie gelogen habe. Es handelt sich um Menschen, die sich immer wieder an Strobl abarbeiten und bis zu 30 Tweets am Tag gegen sie absetzen, berichtet die Autorin. Als sie am Mittwoch immer mehr Nachrichten von diesen Accounts bekam, wurden Erinnerungen an einen früheren Shitstorm wach. Diesen hatte der rechtsgesinnte »Welt«-Autor Rainer Meyer mit einem Beitrag, den er unter seinem Pseudonym »Don Alphonso« verfasste, im Juli vergangenen Jahres ausgelöst. Er sprach Strobl ihre Expertise ab und kritisierte den Fernsehsender »ARD« dafür, sie zu zitieren.
Freund*innen unterstützten Strobl damals und verwalteten ihre Social-Media-Konten. Um ihren Feinden diesmal frühzeitig die Grundlage zu entziehen, entschied sich Strobl, ihr Konto für eine Zeit auf Eis zu legen. »Ich bin kein public good« (zu Deutsch: öffentliches Gut), sagt sie zu »nd« und weiter: »Ich bin nicht verpflichtet, auf Twitter zu sein.«
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