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Transparenz verhindert Waffenexporte

Aktivisten fordern, dass die Beweislast im Fall der Rüstungskontrolle zukünftig umgekehrt wird, damit sich die Staaten rechtfertigen müssen

  • Axel Ruppert
  • Lesedauer: 5 Min.

Sie haben gerade Ihren Bericht über die parlamentarische Kontrolle von Rüstungsexporten in Westeuropa veröffentlicht. Sie stellen darin die Frage, ob parlamentarische Kontroll- und Transparenzmechanismen künftige Exportentscheidungen tatsächlich beeinflussen können. Können sie das?
Ja, es gibt eindeutige Beweise dafür, dass ein Mehr an Demokratie Auswirkungen auf künftige Rüstungsentscheidungen hat. Neben der Einbindung der Parlamentsabgeordneten in die Debatte um Rüstungsexporte tragen wirksame parlamentarische Kontroll- und Transparenzmaßnahmen zu einer »Umkehrung der Beweislast« bei: Informationen werden unmittelbar zugänglich und ihr Zugriff beruht nicht mehr nur auf den Bemühungen von NGOs und Journalist*innen, wie es in Frankreich der Fall ist. Anstatt dass Aktivist*innen oder Abgeordnete staatliche Ausfuhren von umstrittenen Rüstungsgütern belegen müssten, ist es nun Sache der Regierung, ihre Waffenverkäufe zu rechtfertigen. Die parlamentarische Aufsicht trägt außerdem dazu bei, dass die Regierung sich den Tatsachen stellen muss. Im besten Fall veranlasst dies die Regierung - wie in den Niederlanden - Entscheidungen über Rüstungsexporte auf Fallbasis zu beurteilen.
Aber auch hier kann die parlamentarische Aufsicht nur ein Hilfsmittel sein. In Deutschland sind die institutionellen Strukturen eher dürftig, es gibt weder einen spezifischen Parlamentsausschuss noch einen umfassenden Zugang zu Informationen. Trotzdem steht die Regierung unter Druck, was vor allem dem starken Engagement der Abgeordneten der Linken und der Grünen zu verdanken ist, die sich regelmäßig mit dem Thema beschäftigen und pro Jahr etwa 50 gut dokumentierte parlamentarische Anfragen stellen. Demokratische Kontrolle lässt sich nicht verordnen, sondern entsteht vor allem durch den Einsatz, den jede*r Einzelne täglich leistet.

Basierend auf den Ergebnissen Ihrer Recherchen - welche Ereignisse und Aktionen haben den Weg hin zu einer strengeren parlamentarischen Aufsicht geebnet?
Es reicht natürlich nicht aus, nur die parlamentarischen Mechanismen in Gang zu setzen, die lediglich ein Mittel zum Zweck sind. Um kritische Stimmen abzuwürgen, versuchen die Regierungen uns weiszumachen, dass Waffenverkäufe ein hochkomplexes technisches Thema sind, das Expert*innenwissen erfordert. Der Verkauf von Waffen beruht jedoch auf einer politischen Entscheidung, weshalb sich jede*r Bürger*in mit folgenden Fragen auseinandersetzen muss: Welche Art von Gesellschaft wollen wir? Welchen Platz wollen wir der »militärischen Macht« einräumen? Straßenaktionen, Proteste bei Waffenmessen, Anfragen von Abgeordneten an ihre Regierung und ähnliches sind daher unerlässlich und für die Demokratie von zentraler Bedeutung. Die zahlreichen Aktionen von Aktivist*innen haben entscheidend dazu beigetragen, die öffentliche Meinung und die Politik wachzurütteln. In Deutschland, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich können die Aktivist*innen dem Staat nun tatsächlich die Stirn bieten.

Tony Fortin
Tony Fortin ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der unabhängigen Beobachtungsstelle für Rüstungsfragen in Frankreich, dem »Observatoire des armements«. Axel Ruppert, der für die Rosa-Luxemburg-Stiftung als Projektmanager in Brüssel tätig ist, sprach mit Fortin über die derzeitige europäische Praxis beim Export von Rüstungsgütern und die Rolle der Parlamente. Der Bericht ist auch zu finden unter: dasND.de/Gegenbericht

Lassen Sie uns einen Blick auf die deutsch-französischen Beziehungen werfen. In Deutschland hören wir immer wieder, dass wir Rüstungsexporte nicht stoppen können, weil Frankreich an Produktion und Export beteiligt ist und wir nicht in Entscheidungen Frankreichs eingreifen könnten. Was halten Sie von einer solchen Argumentation und was sollte die deutsche Öffentlichkeit über die Rüstungsexportkontrollen in Frankreich wissen?
Dieses klassische Argument wird von Regierungen vorgebracht, die nicht aktiv werden wollen. Unsere Studie zeigt aber, dass die Einschränkung des Waffenhandels ein Land auf dem diplomatischen Parkett nicht isoliert, sondern vielmehr einen »Circulus vitiosus«, einen positiven Kreislauf in Gang setzt, der andere mitreißt. Frankreich distanziert sich von dem auf europäischer Ebene vorherrschenden Trend hin zu einer Aussetzung der Waffenverkäufe an Riad. Wenn die deutsche Regierung aber vor der Zivilgesellschaft zurückweicht und Verträge aussetzt, wendet sie lediglich europäisches Recht an, nämlich den Gemeinsamen Standpunkt zu Waffenexporten.
Das Problem darf also nicht ins Gegenteil verkehrt werden, sondern wir müssen deutlich aussprechen, dass Frankreich gegen geltendes Recht verstößt. 50 Prozent seiner Waffenausfuhren gehen in Länder des Nahen Ostens. Mit unseren Rüstungsgütern versorgen wir eine Vielzahl von Konfliktgebieten. Frankreich wendet eine Kombination aus nuklearer Bedrohung, Waffenexporten und den militarisierten Aktivitäten multinationaler Konzerne wie Total an, die Unruhen wie im Jemen oder in Mosambik instrumentalisieren, um Frankreichs Einfluss auf internationaler Ebene zu vergrößern.

Können Deutsche ein solches Modell für ihre Zukunft akzeptieren?
Die deutsch-französische Zusammenarbeit in der Rüstungsproduktion hat sich in den letzten Jahren ganz offensichtlich vertieft und wechselseitige Abhängigkeiten erzeugt. Die zahlreichen Ausnahmen und Schlupflöcher des deutschen Embargos in Bezug auf den Krieg im Jemen gehen jedoch über die von Paris auferlegten Regeln hinaus. Frankreich ist beispielsweise a priori nicht dafür verantwortlich, wenn die Patrouillenboote der Firma Lürssen, die dem Embargo gegen Saudi-Arabien unterliegen, nach Ägypten umgeleitet werden. Die Regierungskoalition in Deutschland hat mehr Handlungsspielraum, als sie vorgibt, und instrumentalisiert die französische Reaktionslosigkeit als Rechtfertigung für die Fortführung ihrer Waffenausfuhren.

Am Beispiel des Rüstungskonzerns Rheinmetall zeigt sich, wie multinationale Konzerne Exportbeschränkungen umgehen, indem sie ihre Produktion in andere Länder auslagern, im Fall von Rheinmetall nach Sardinien und Südafrika. Welche Maßnahmen können wir dem auf europäischer Ebene entgegensetzen?
Über die Gründung von Tochtergesellschaften können wettbewerbsfähigere Preise angeboten und geltende Gesetze umgangen werden. Dieser Vorwurf wird Deutschland gemacht, aber auch Frankreich hat viele Joint Ventures in den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien. Warum also nicht über die nationale Denkweise hinaus eine Harmonisierung der Exportvorschriften auf Ebene der Europäischen Union anstreben? Vorerst dient die europäische Ebene lediglich dazu, die industrielle Zusammenarbeit bei Rüstungsgütern über den Europäischen Verteidigungsfonds zu stärken, der die Entwicklung neuer Rüstungsgüter finanziert. In diesen Tagen macht leider nur die europäische Rüstungsindustrie große Sprünge. Während sich die Entscheidungsprozesse derzeit allmählich von der einzelstaatlichen auf die europäische oder transnationale Ebene verlagern (unter anderem durch industrielle Kooperationsvereinbarungen oder Joint Ventures), müssen wir uns von unseren nationalen Reflexen befreien und uns für eine gemeinsame grenzübergreifende Mobilisierung stark machen.

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