Zu viel Geld auf dem Konto

Die Sparkassen beklagen einen Ansturm der Sparer während der Coronakrise

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Den klagenden Ton hatte der ostdeutsche Sparkassenverband vorgegeben: Sparkassen könnten sich in der Corona-Zeit kaum vor Kundengeldern retten, profitierten von diesem Ansturm aber nicht. »Die Kunden haben uns im Krisenjahr 2020 mehr denn je ihr Geld anvertraut«, ließ Michael Ermrich, Präsident des Ostdeutschen Sparkassenverbandes, im Februar in Interviews wissen. »Unseren Sparkassen fehlen jedoch Möglichkeiten, diese Gelder zu investieren beziehungsweise zinsbringend anzulegen.«

Trotz oder gerade wegen der Wirtschaftskrise sitzen die Bundesbürger auf einem Batzen von mehr als 7,1 Billionen Euro. Das ist so viel wie nie. Denn in der Pandemie legen viele Menschen im reichen Deutschland noch mehr auf die hohe Kante als sonst. Die Sparquote stieg laut Statistischem Bundesamt im Corona-Jahr von rund zehn auf 16,2 Prozent des Einkommens. Von 100 Euro werden also durchschnittlich 16 Euro und 20 Cent gespart. Das ist auch im internationalen Vergleich ein Rekordwert.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Das ohnehin sehr hohe Vertrauen in die Sparkassen sei 2020 nochmals um außergewöhnliche sechs Prozentpunkte gestiegen, berichtete Sparkassenpräsident Helmut Schleweis auf der virtuellen Jahrespressekonferenz vergangene Woche. »Eine Folge dieses enormen Vertrauenszuwachses ist, dass uns immer mehr Einlagen anvertraut werden.« Das Geldvermögen der Sparkassenkunden wuchs im Jahr 2020 um 100,2 Milliarden Euro – gegenüber dem Vorjahr ein Plus von sagenhaften 69,4 Prozent.

Doch die »liebevolle Umarmung« durch die werte Kundschaft komme die Institute teuer zu stehen, so Schleweis. Das viele Geld, mit dem die Europäische Zentralbank die Märkte überschwemme, senke den Preis für Geld, sprich für Kredite. Zwar führe die Niedrigzinspolitik auch dazu, das Sparkassen für die Einlagen ihrer Kunden geringere Zinsen zahlen müssen als früher. Aber unterm Strich bleibe weniger übrig.

Außerdem können die Sparkassen nur einen Teil der Kundengelder überhaupt wieder verleihen. So ist das Einlagenvolumen aktuell um rund 18 Prozent größer als die Summe der Kredite, die vergeben wurden. Im Ergebnis fiel der Zinsüberschuss, also die wichtigste Einnahmequelle der Sparkassen, in der Coronakrise um 3,3 Prozent oder 662 Millionen Euro geringer aus als im Vorjahr (insgesamt 19,6 Milliarden Euro). Ohne das »hervorragende« Baufinanzierungsgeschäft wäre der Rückgang noch deutlicher gewesen.

»Corona wird irgendwann gehen, die Niedrigst- oder sogar Negativzinsen aber bleiben«, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV). Die Rückgänge beim Zinsüberschuss würden deshalb auch in den kommenden Jahren anhalten. »Die Sparkassen müssen da gegensteuern.« Und sie tun dies: Stellen werden gestrichen, Sachkosten runtergefahren und Konditionen nach oben »angepasst«.

Letzteres trifft vor allem die Basis aller Bankgeschäfte, das Girokonto. Gebühren steigen, neue werden erhoben und das jüngste Zauberwort heißt – wie bei der Konkurrenz – »Verwahrentgelt« für höhere Einlagen. All das schlägt sich auch in den höheren Provisionen nieder, die immerhin um 2,4 Prozent auf 8,5 Milliarden Euro sogar insgesamt zulegten.

Provisionen, die Kunden für Dienstleistungen zahlen, würden die Sparkassen gerne noch mehr kassieren. Doch die Mittel bleiben größtenteils einfach auf den Girokonten stehen und werden nicht angelegt. Das ist ein Problem, das alle Banken umtreibt. Im Zinstief wüssten viele Anleger nicht, »wohin mit frei werdenden oder neuen Anlagemitteln«, schreibt Michael Stappel, Ökonom der genossenschaftlichen DZ-Bank. Inzwischen seien mehr als 28 Prozent des gesamten Geldvermögens – also rund zwei Billionen Euro – dauerhaft »zwischengeparkt«, vorwiegend in Form von sogenannten Sichteinlagen wie Girokonto oder Tagesgeld, die bei Bedarf rasch umgeschichtet werden können. In Aktien und Fonds, deren Verkauf für Banken lukrativ ist, investiert nur eine kleine Minderheit der Kundschaft.

Alles in allem sind die Sparkassen aber, von wenigen Ausnahmen abgesehen, überaus solide aufgestellt. Das betont auch Sparkassenpräsident Schleweis immer wieder. Zum Jahresende wiesen die Sparkassen ein Eigenkapital von 133,2 Milliarden Euro aus. Die regulatorischen Anforderungen der Aufsichtsbehörden werden damit deutlich übertroffen.

Insgesamt erzielten die 376 Sparkassen im vergangenen Jahr ein Ergebnis vor Steuern von 4,1 Milliarden Euro, das sind nur 145 Millionen Euro weniger als 2017. 2,7 Milliarden Euro wurden überdies den Vorsorgereserven zugeführt und 2,5 Milliarden an Steuern gezahlt. DSGV-Präsident Schleweis sprach von einem »sehr achtbaren Ergebnis« im Vergleich zur Konkurrenz. Die von den Sparkassen beklagte hohe Sparquote der Bundesbürger lässt sich denn auch anders deuten: Nach der Krise könnte das Pendel zurückschwingen und das viele Geld in einen Konsumboom fließen.

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