Verspätet zu Karl und Rosa

Die Linke holt verschobene Ehrung von Liebknecht und Luxemburg nach

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Linke-Bundesvorsitzende Janine Wissler (im roten Mantel) bei der Kranzniederlegung an der Gedenkstätte der Sozialisten.
Die Linke-Bundesvorsitzende Janine Wissler (im roten Mantel) bei der Kranzniederlegung an der Gedenkstätte der Sozialisten.

Ganz vorn laufen Berlins Linksfraktionschefin Anne Helm und die Landesvorsitzende Katina Schubert mit einem Kranz. Hinter ihnen geht Helms Ko-Fraktionschef Carsten Schatz mit einem Schirm in den Farben des Regenbogens. Er hält ihn über die Köpfe der Frauen, um sie vor dem Regen zu schützen.

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Normalerweise pilgern Linke immer am zweiten Sonntag im Januar zur Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin-Friedrichsfelde, um an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zu erinnern. Doch dieses Jahr fand zum richtigen Termin im Januar nur die von einem Bündnis veranstaltete Demonstration statt. Das stille Gedenken verschob die Linke wegen der Coronakrise auf den 14. März. Da die Krise anhält, gelten strenge Hygieneregeln. Es besteht Maskenpflicht, auf deren Einhaltung die Ordner genau achten.

Derart vermummt, die Brillengläser vom Regen nass und vom warmen Atem beschlagen, erkennen sich selbst gute Bekannte erst auf den zweiten Blick. Gut zu sehen ist mit ihrem roten Mantel die Linke-Bundesvorsitzende Janine Wissler. Sie nahm auch früher schon das eine oder andere Mal am Gedenken für Karl und Rosa teil, ist nun aber das erste Mal in ihrer neuen Funktion hier. Nach Verlassen des Friedhofs stellt sich Wissler zusammen mit anderen Mitgliedern des Bundesvorstands vor dem Tor auf. Es werden Schilder ausgeteilt und hochgehalten, auf denen steht: »Gemeinsam gegen rechte Hetze« und »Aufstehen gegen Rassismus«. So lässt sich der Vorstand fotografieren, um die Bilder bei der bevorstehenden Woche gegen Rassismus zu verwenden. »Wir haben die Gelegenheit genutzt, dass wir uns hier getroffen haben«, erklärt Vorständler Tobias Bank. Die zweite neue Bundesvorsitzende Susanne Hennig-Wellsow wird auf diesen Fotos nicht zu sehen sein. Sie konnte nicht kommen, musste ihr Kind hüten, heißt es.

Auch die Bundestagsfraktionschefs Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch können diesmal nicht, weil sich der Termin mit ihrer Nominierung für die Bundestagswahl im September überschneidet. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau und die Abgeordneten Gesine Lötzsch und Pascal Meiser zeigen sich jedoch in Friedrichsfelde. Für sie ist das kein Problem, da die Berliner Linke ihre Landesliste bereits am Sonnabend aufgestellt hat.

Brandenburgs Linksfraktionschef Sebastian Walter lässt sich ebenfalls blicken. Für ihn ist das Ehrensache. Seit 2005 verpasste er keine einzige Ehrung von Karl und Rosa. Beim ersten Mal war er 15 Jahre alt und kam mit der Linksjugend. Es war die erste Demonstration, an der er in seinem Leben teilgenommen hat, sagt er. Auch schon seit etlichen Jahren hat Walter privat die Tageszeitung »nd« abboniert. Seit er 2019 in den Landtag einzog, lässt er sich zusätzlich eine zweite Ausgabe in eins seiner beiden Wahlkreisbüros liefern. Nun hat der Politiker, wie er am Sonntag in Friedrichsfelde erzählt, noch vier weitere Abonnements abgeschlossen, um die Zeitung zu unterstützen - für sein zweites Wahlkreisbüro, für seine Mutter, für seine Großeltern und für einen Bekannten, der Sozialdemokrat ist.

Dagmar Enkelmann, die Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung, brachte bereits im Januar einen Kranz - und nun im März erneut. Damit gehört sie aber zu den Ausnahmen. Die meisten entschieden sich, damals oder jetzt Blumen an den Gräbern niederzulegen. So auch Rüdiger Deissler aus Berlin-Charlottenburg. Er nahm im Januar mit einer Gruppe von Mitgliedern der Linken und der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes an der Liebknecht-Luxemburg-Demonstration teil. Diese Gruppe wollte nun nicht erneut nach Friedrichfelde, sondern fährt zum Friedhof »In den Kisseln« in Spandau, erzählt Deissler Samstag am Telefon. Dort wird an Erich Meier erinnert, einen im März 1933 von der SA ermordeten Jungkommunisten. »Das Gedenken an Karl und Rosa lässt sich nicht verschieben«, meint Deissler zu »nd«.

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