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Weniger Impfstoff, größere Zweifel
Der Inzidenzwert steigt kontinuierlich und das Robert-Koch-Institut blickt sorgenvoll auf Ostern / Weiterer Ärger um Astra-Zeneca
Impfen, was das Zeug hält im Wettlauf mit der dritten Coronawelle - angesichts der stetig steigenden Infektionszahlen in Deutschland ist dies nun das Gebot der Stunde. Oder besser, wäre es eigentlich. Denn nach wie vor fehlt es an Impfstoff, um bei der Immunisierung der Bevölkerung die notwendigen Fortschritte erzielen zu können.
Nach ohnehin schwachem Start der Impfkampagne, der seitdem anhaltenden Durststrecke nun ein neuer Rückschlag: Der britisch-schwedische Pharmakonzern Astra-Zeneca hat angekündigt, bis Jahreshälfte nur 100 Millionen statt 220 Millionen Impfdosen an die Länder der Europäischen Union liefern zu können. Und das hat Folgen auch für die Bundesrepublik. So erklärte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums am Wochenende: »Wie alle anderen EU-Mitgliedsstaaten auch wird Deutschland im März vorübergehend deutlich weniger Impfstoff von Astra-Zeneca bekommen als geplant.«
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
In Folge der Ankündigung haben bereits einige Bundesländer reagiert und ihre Impfpläne geändert. Thüringen etwa musste die Terminvergabe für Impfungen stoppen und den Start für die Immunisierung von Hausärzten verschieben. Die Lieferkürzung bezeichnete Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) als »absolut inakzeptabel«. In Hamburg wurde die Vergabe von Impfterminen für unter 80-Jährige gestoppt, erklärte ein Sprecher der Gesundheitsbehörde. Die vereinbarten Termine könnten aber mit den bereits vorhandenen Impfdosen eingehalten werden. In Sachsen-Anhalt erklärte Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne (SPD), die Kürzungen seien ein »herber Dämpfer für den Impffortschritt im Land« und kündigte an, die Impfungen der Polizei vorerst zurückzustellen. In Berlin sollen neue Impftermine gestreckt werden, so ein Sprecher der Gesundheitsverwaltung.
Doch nicht nur wegen der Ankündigung, weniger Impfstoff zu liefern, sorgt Astra-Zeneca für Aufruhr in Europa, auch das Vakzin selbst wird in immer mehr Ländern kritisch beäugt. Am Sonntag empfahl etwa die irische Impfkommission ein Aussetzen der Impfungen mit dem Präparat, bis Berichte aus Norwegen über vier Fälle schwerer Blutgerinnsel nach Verabreichung des Mittels geprüft seien. In Italien wurde das Verimpfen einer bestimmten Charge nach »schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen« vorsichtshalber gestoppt - nachdem bereits zuvor verschiedene andere Länder das Mittel beziehungsweise eine Charge davon vorsorglich aus dem Verkehr gezogen hatten. Dabei liegt die Betonung auf vorsorglich, denn bisher ist ein Zusammenhang der Blutgerinnselvorfälle mit den Astra-Zenca-Impfungen nicht erwiesen. Auch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA erklärte, dass es keine auffällige Häufung von Thrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung gebe und dass der Nutzen der Verimpfung des Astra-Zeneca-Mittels größer sei als das Risiko.
Lieferengpässe und Zweifel an der Sicherheit eines der ohnehin wenigen zugelassenen Vakzine - die Voraussetzungen für den Kampf gegen die Pandemie könnten wahrlich besser sein. Zumal die Aussichten wohl auch eher sorgenvoll denn optimistisch stimmen: Am Sonntagmorgen vermeldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 10 790 Neuinfektionen und die Sieben-Tage-Inzidenz erhöhte sich nach 76,1 am Vortag weiter deutlich auf 79.
Bereits in seinem Lagebericht am Freitagabend hatte das RKI einen weiteren deutlichen Anstieg der Neuinfektionen und für die Woche nach Ostern höhere Zahlen als rund um Weihnachten prognostiziert. Die Inzidenz könnte dann bei 350 liegen. Dafür verantwortlich sei unter anderem die sich rasch ausbreitende Corona-Mutante B.1.1.7, die erstmals in Großbritannien nachgewiesen wurde, so der Lagebericht. Bei der Variante B.1.1.7 zeige sich ein exponentiell ansteigender Trend der Sieben-Tage-Inzidenz seit der zweiten Kalenderwoche. Alle zwölf Tage habe sich diese verdoppelt. Demgegenüber zeige der Verlauf bei allen übrigen Varianten einen Rückgang um etwa 19 Prozent pro Woche. Diese beiden Trends würden sich zurzeit noch überlagern, was insgesamt zu der nur langsam ansteigenden Sieben-Tage-Inzidenz der vergangenen vier Wochen geführt habe. Mit Agenturen
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