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Die Volks-Sparkasse kommt
Corona hat das Filialsterben bei den Genossenschaftsinstituten beschleunigt. Neue Konzepte könnten helfen
Sie hießen Volksbank Greven, Raiffeisenbank Hallertau oder Föhr-Amrumer Bank. Da die Zeiten für Kreditinstitute schwierig sind, reagieren Deutschlands genossenschaftliche Banken mit Zusammenschlüssen. Und so haben die genannten Institute genauso wie einige andere in den vergangenen Monaten das getan, was ihnen von Beratern immer empfohlen wurde: Sie haben fusioniert.
Tatsächlich wird in Fachmedien zuletzt häufiger von einer »Volksbanken-Fusionswelle« geschrieben. Dabei zeigen Recherchen des Branchenblattes »Finanz-Szene«, dass 2020 eher ein ruhiges Jahr für die genossenschaftlichen Institute war. Der Infodienst zählte lediglich 24 Zusammenschlüsse. Das sind deutlich weniger als im Zeitraum 2010 bis 2019, als laut Bundesbank jährlich im Schnitt 32 Volksbanken von der Bildfläche verschwanden.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Für das vergangene Jahr hatte der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) eigentlich eine deutlich höhere Zahl vorhergesagt. Wegen der Pandemie-Beschränkungen wurden manche Fusionspläne auf Eis gelegt, vermutet »Finanz-Szene«. »Im Umkehrschluss könnte das heißen, dass in diesem oder spätestens im nächsten Jahr die Fusionswelle tatsächlich kommt - weil möglicherweise aufgeschobene Vorhaben dann nachgeholt werden.« Vieles spricht dafür, dass die Coronakrise den Fusionsdruck noch verstärken könnte. Bei den Filialschließungen ist dieser Effekt schon zu beobachten. BVR-Präsidentin Marija Kolak wird auf der Jahrespressekonferenz ihres Verbandes am Dienstag diesen Trend bestätigen.
Dafür sprechen Äußerungen aus dem »Genossenschaftsverband - Verband der Regionen«, der jede zweite Volks- und Raiffeisenbank vertritt und seine Zahlen für das Corona-Jahr 2020 bereits Ende Februar vorstellte. Vorstand Ingmar Rega sieht trotz des etwas verlangsamten Fusionstempos keine Trendwende: »Die Treiber der Strukturveränderung wirken unverändert fort: Das sind die stetig voranschreitende, zunehmend international geprägte Regulatorik, die Negativzinsen in Verbindung mit den wegen Corona fortgeführten EZB-Anleihekäufen und die umfangreichen Investitionen in die Digitalisierung.«
Unterm Strich ist die wirtschaftliche Lage zwar nicht so schlecht, wie sie Banker manchmal machen. Aber wie die Sparkassen leiden auch die Genossenschaftsinstitute unter zu hohen Einlagen, gemessen am Kreditgeschäft. Das könnte sich mit dem erwarteten Aufschwung nach Corona wieder ändern.
Fusionen sind das eine, Filialen das andere. Diese verlieren an Bedeutung - auch aufgrund der sinkenden Kundenfrequenz. Immer mehr Verbraucher begnügen sich mit Onlinebanking. Vergleichsportale sorgen dafür, dass seltener das persönliche Beratungsgespräch gesucht wird. Einer Umfrage des Verbandes zufolge plant mehr als jedes dritte Institut für die nächsten zwei Jahre eine Zusammenlegung von Filialen. Das trifft vor allem ländliche Regionen, in denen die Volks- und Raiffeisenbanken traditionell besonders stark vertreten sind. Die BVR-Statistik zeigt, dass schon vor Corona jeweils an die 500 Zweigstellen pro Jahr geschlossen wurden. Noch beträgt die Zahl der genossenschaftlichen Bankstellen rund 9000. Doch wenn der Trend wie erwartet anhält, dürfte bald eine kritische Grenze unterschritten werden, wonach es keine flächendeckende Versorgung mit Bankdienstleistungen mehr geben wird.
Selbiges droht sogar in Großstädten. Eine der größeren Kreditgenossenschaften, die Hamburger Volksbank, hat zehn ihrer 25 Filialen coronabedingt dichtgemacht und zwar dauerhaft.
Aus der Provinz haben sich die privaten Banken längst zurückgezogen. Und die Sparkassen, die vor allem kleine und mittlere Städte versorgen, kämpfen mit ähnlichen Problemen wie die Genossenschaftskonkurrenz. Doch mittlerweile suchen beide Bankengruppen häufiger den Schulterschluss. Bislang einmalig ist die flächendeckende Zusammenarbeit von Deutschlands zweitgrößter Volksbank in Frankfurt am Main und der Taunus-Sparkasse, die zusammen 26 Filialen betreiben. Diese zogen ein Jahr nach der Eröffnung ihres ersten »Finanzpunktes« eine positive Bilanz. Die Kunden hätten das Modell »mit überwältigendem Erfolg« angenommen, sagte die Vorstandschefin der Frankfurter Volksbank, Eva Wunsch-Weber.
Von den 26 Filialen haben 9 lediglich eine Selbstbedienung. In den 17 Filialen mit Personal teilen sich Volksbank und Sparkasse die Öffnungszeiten. Mit den Finanzpunkten haben nun auch kleinere Ortschaften wieder eine moderne Bankfiliale erhalten.
Das Beispiel könnte Schule machen. So wurde kürzlich in der Oberpfalz ein Finanzpunkt der Raiffeisenbank und der Sparkasse eröffnet. Inzwischen interessierten sich viele Institute für das Modell, berichtete Wunsch-Weber. Dabei reicht das Interesse weit über die Landesgrenzen hinaus. So sollen schon Vertreter der Bank of Japan, US-amerikanische und französische Institute in den Taunus gereist sein, um sich das Konzept der Finanzpunkte erklären zu lassen.
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