Verlängert und nicht umbenannt
Streit um Mohrenstraße im sächsischen Radebeul
Der Stadtrat in Radebeul hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch mit der Mohrenstraße beschäftigt - jedoch nicht, um deren Namen zu ändern. Vielmehr wurde die bisher gut 300 Meter lange Straße verlängert. Begründet wurde das mit Fehlern im Kataster und der fälschlichen Zuordnung von Grundstücken zu einer anderen Straße, die habe korrigiert werden müssen.
Dagegen hatte die Schülerinitiative RIKA auf eine Umbenennung der Straße gedrängt. Sie empfänden deren Namen als »nicht mehr zeitgemäß und rassistisch«, schrieben sie Anfang des Jahres in einem offenen Brief an die Kommunalpolitiker. Der Begriff »Mohr« bezeichne seit der Kolonialzeit eine »von Weißen erdachte Karikatur schwarzer Menschen« und sei mit deren »Entmenschlichung und Demütigung« verbunden. Sie erinnerten daran, dass der Name angeblich vergeben wurde, weil Buschwerk auf zwei Hügeln in der Nähe wie krauses Haar gewirkt habe.
In der Stadt hatte der Vorstoß für Kontroversen gesorgt, wie auch die folgende Initiative zur Umbenennung einer benachbarten Kita namens »Mohrenhaus«. »Nicht nur die Zeiten ändern sich, auch Tradition und Sprache«, heißt es in einer entsprechenden Online-Petition, die in der Stadt selbst freilich nur 148 Unterstützer fand. Eine Gegenpetition zum Erhalt des Namens wurde dagegen von 1133 der rund 33 000 Einwohner signiert.
Politiker von SPD, Linken und Grünen hatten gefordert, den Ratsbeschluss über die Verlängerung zu verschieben und zunächst über den Vorschlag zur Umbenennung zu beraten. »Die Schüler fühlen sich nicht ernst genommen«, sagte Daniel Borowitzki, Chef der Linksfraktion im Stadtrat. Das Gremium habe »einer wirklichen Auseinandersetzung mit Rassismus einen Riegel vorgeschoben«, erklärte der Grünen-Stadtrat Martin Oehmichen. Dagegen hatte sich der parteilose Oberbürgermeister Bernd Wendsche gegen eine Umbenennung ausgesprochen. Bislang habe sich »bei uns nie jemand über den Straßennamen beschwert, und jetzt müssen wir das halt ausdiskutieren«, sagte er dem Nachrichtenmagazin »Spiegel«. Im von ihr herausgegebenen Amtsblatt hatte es die Stadtverwaltung als passend angesehen, mit einer Karikatur Position zu beziehen. Darin wird das Wort »Mohrrübe« als rassistisch bezeichnet und durch »Karotte« ersetzt. Der OB sagte dem »Spiegel«, der Name der Straße sei »ein Stück Stadtgeschichte«; das Wort »Mohr« nutze »heutzutage niemand mehr als Schimpfwort.«
Es wird freilich so empfunden. Im Streit um die Mohrenstraße in Berlin schrieb Moctar Kamara, Vorsitzender des Zentralrats der afrikanischen Gemeinden in Deutschland, Anfang 2015 in einem offenen Brief, der Begriff »Mohr« sei »genau wie das N-Wort ganz ohne Zweifel eine rassistische und beleidigende Fremdbezeichnung für Schwarze Menschen«. Er gehöre deshalb nicht auf Straßenschilder. Der Historiker Jürgen Zimmerer, der die Forschungsstelle Koloniales Erbe in Hamburg leitet und sich zur Radebeuler Debatte geäußert hatte, nannte den dortigen Ratsbeschluss vom Mittwoch eine »rassistische Setzung«. Bei der Aufarbeitung des kolonialen Erbes seien noch »dicke Bretter zu bohren«.
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