Suizid aus Angst vor Abschiebung

Alpha Oumar Bah aus Guinea nahm sich in Berlin das Leben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Verzweifelt rief der aus Guinea geflüchtete Alpha Oumar Bah seine Mutter in der Heimat an. Nachdem sich das Land Berlin am 16. März an einer bundesweiten Abschiebung von Landsleuten beteiligt hatte, fürchtete er wie viele andere auch, es würde ihn demnächst genauso treffen. Bah bat seine Mutter, ihm Dinge zu verzeihen, die er im Leben falsch gemacht und ihr vielleicht angetan habe. Die Mutter wunderte sich. Er habe doch nie etwas Böses getan, versicherte sie ihm erstaunt. Jetzt weiß die Mutter, was das alles bedeutete.

Mitte vergangener Woche hielt Alpha Oumar Bah den psychischen Druck nicht mehr aus und nahm sich das Leben. Davon geht der Flüchtlingsrat Berlin aus, der am Montag gemeinsam mit weiteren Organisationen über den Fall informierte. In der Mitteilung heißt es: »Der 27-Jährige lebte seit drei Jahren in Berlin in einer Geflüchtetenunterkunft, hatte eine Duldung und verdiente seinen Lebensunterhalt in einer Reinigungsfirma.« Und weiter: »Wir fordern eine genaue Aufarbeitung der Umstände seines Todes.« Der Zusammenhang mit der ausweglosen Situation von Alpha Oumar Bah infolge der aktuellen Berliner Abschiebepolitik solle untersucht werden. Vom Senat wird gefordert, der 2016 von Rot-Rot-Grün versprochenen humanen Abschiebepolitik gerecht zu werden. Im Gegensatz zu diesem Versprechen präsentiere sich Innensenator Andreas Geisel (SPD) vor der Abgeordnetenhauswahl im September als Hardliner.

Dass die Ursache des Suizids keine bloße Vermutung sei, sondern sehr wahrscheinlich, kann Balde Aissatou Cherif vom Verein Guineé Solidaire bestätigen. Sie organisiert jetzt die Überführung des Leichnams nach Conakry. Das ist die Hauptstadt des westafrikanischen Staates, aus dem Alpha Oumar Bah stammte. Cherif sprach mit seinen Freunden und telefonierte mit seinen Eltern. Dadurch weiß sie von dem Anruf des 27-Jährigen in der Heimat kurz vor dem Suizid. Bahs Mutter hat ihr davon erzählt. Ein Problem sei, dass viele Flüchtlinge leider nicht wissen, wo sie bei Suizidgefahr Hilfe bekommen können, beklagt Cherif. In Guinea gebe es so etwas nicht. Und außerdem: »Wenn man die deutsche Sprache nicht spricht, steht man vor einer Mauer.«

Die Senatsinnenverwaltung erklärte auf Anfrage, nach den ihr vorliegenden Informationen könne ein Zusammenhang zwischen dem Suizid und einer drohenden Abschiebung ausgeschlossen werden. Der Mann habe über eine Aufenthaltsgestattung verfügt. »Bis zu einer rechtskräftigen gerichtlichen Ablehnung seines Asylantrags befand er sich in einer gesicherten Position.« Der in der Pressemitteilung des Flüchtlingsrats hergestellte Zusammenhang sei »zutiefst unanständig, weil hier ein vermutlicher Suizid politisch instrumentalisiert wird«.

In Eberswalde nahm sich einige Tage vor Bah der 35-jährige Salah Tayyar aus dem Tschad das Leben. Er geriet durch seine unsichere Zukunft in eine schwere psychische Krise, berichtete ein Freund. Am Sonntag wurde vor der Senftenberger Straße 4 - wo Tayyar wohnte und starb - an den Flüchtling erinnert.

Hilfsangebote für Menschen mit Suizidgedanken:
Berliner Krisendienst: 030 39063-10/-20/-30...-90
Telefonseelsorge: 0800/111 0 -111/-222
Muslimisches Seelsorgetelefon: 030 443 509 821

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.