Radio Ginseng hält geistig fit bis ins hohe Alter

Im Keller des Robert-Havemann-Hauses von Grünheide startet jetzt ein Sender von Senioren für Senioren

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 3 Min.

Routiniert setzt sich Dorothea Kiesecker die Kopfhörer auf, zieht das Mikrofon zu sich heran und schiebt die Regler nach oben. Die ehemalige Krankenschwester wirkt, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Dabei ist das Radiomachen für die 77-Jährige Neuland, so wie für die meisten ihrer Mitstreiter bei Radio Ginseng, das am 28. März auf Sendung gehen will - als Sender speziell für Senioren.

»Erzählen kann ich, das packe ich auch am Mikrofon«, sagt Kiesecker. Während die Moderatorin am Mischpult in den Kellerräumen des Robert-Havemann-Hauses Grünheide (Oder-Spree) übt, digitalisieren zwei ältere Herren nebenan stapelweise CDs. Vereinsgründer Ulrich Burow hat in der Ecke mit den gemütlichen Ohrensesseln Platz genommen, die von Mikrofonen flankiert sind. »Hier wollen wir Gespräche mit Studiogästen aufzeichnen«, erklärt der frühere Journalist. Das Radiomachen habe ihn schon immer interessiert, in seinem Berufsleben sei es jedoch nie vorgekommen, sagt er.

Jetzt ist Burow 70 Jahre alt und hat Zeit fürs Radio. »Wir wollen der Generation 60 plus im Landkreis Oder-Spree eine Stimme geben. Alte Hasen produzieren ein Programm für Gleichaltrige, das zu ihnen passt und bei dessen Gestaltung Senioren die Hauptrolle spielen«, beschreibt er die Idee von Radio Ginseng. Es gebe ansonsten keinen Sender, der speziell ältere Hörer anspreche, ihnen die Einsamkeit nehme und passend zu ihrer Lebenserfahrung Themen aufgreife. Auf den Namen Ginseng kam Burow, weil die asiatische Heilpflanze Demenz vorbeugen soll. »Radio machen hat die gleiche Wirkung. Es hält geistig fit«, ist er überzeugt.

Die Räume im Vereinshaus bekam Burow von der Gemeinde zur Verfügung gestellt, Rat holte er sich zudem beim Bundesverband der freien Radios, das deutschlandweit 34 Mitglieder zählt. Arnold Bischinger, Kulturamtsleiter im Landkreis Oder-Spree, half bei der Beantragung von Fördermitteln des Bundes für die Radioerstausstattung. »Ich finde den Radio-Ginseng-Grundansatz von Erinnerungskultur, die auf Technik trifft, total reizvoll. Da steckt Potenzial drin«, glaubt Bischinger, der das erste Brandenburger Seniorenradio weiter unterstützen will.

Von der Medienanstalt Berlin und Brandenburg erhielt das nichtkommerzielle Lokalradio im Sommer 2020 die Zulassung. »Das hat unter anderem den Vorteil, dass wir für Musik keine GEMA-Gebühren zahlen müssen«, erklärt Burow. Laut Medienanstalt ist das Seniorenradio tatsächlich das erste seiner Art in Brandenburg.

25 Mitglieder zwischen 60 und 80 Jahren hat der Verein »Redaktion Radio Ginseng«, sieben von ihnen sind aktive Radiomacher. »Was wir brauchen, sind noch jede Menge Moderatoren. Dafür wollen wir bei einem Tag der offenen Tür ein Casting veranstalten«, sagt Burow. Aufgrund der Corona-Beschränkungen sei dafür allerdings noch kein Termin gefunden.

Das Seniorenradio soll zunächst sonntags zwischen 10 und 18 Uhr auf Sendung gehen. Dabei soll es viel Musik geben, denn damit verbinden sich meist viele, häufig glückliche Erinnerungen an frühere Lebensabschnitte. Mit dem Chef des Big-Band-Orchesters Fürstenwalde will Burow eine spezielle Sendereihe aufbauen. Zudem ist eine Sendung zum »Tanzen im Alter« angedacht.

Der Wortanteil soll stetig steigen: Kiesecker will sich um die Themen »Gärtnern«, »Haus und Hof« sowie »Berliner Geschichte« kümmern. Tipps für Hundehalter soll es ebenso geben wie Aktuelles zur Ansiedlung des US-Elektroautobauers Tesla in Grünheide. »An dem Thema kommt hier keiner vorbei«, meint Burow.

Vorerst ist Radio Ginseng nur über das Internet zu empfangen, ein Umstand, den der Landesseniorenbeauftragte Norman Asmus kritisch sieht. »Wen wollen die Radiomacher tatsächlich erreichen? Viele ältere Menschen haben gar keinen Zugang zur digitalen Welt«, gibt er zu bedenken. Möglicherweise könne so ein Sender aber auch Motivation für Senioren sein, sich digital fit zu machen, überlegt Asmus. Kulturamtsleiter Bischinger glaubt: »Vieles läuft nur noch online und darauf wird sich auch die ältere Generation einstellen.«

Radiomacher Burow erklärt: »Natürlich wollen wir langfristig eine UKW-Frequenz, aber dafür müssen wir uns erst einmal beweisen.« dpa

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