Betriebe am Abgrund

Brandenburgs Wirtschaft erreicht Vor-Krisen-Niveau frühestens Ende 2022

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Zwar stehen alle Zeichen wieder auf Erstarrung im Lockdown, doch die CDU richtet ihren Blick in die Zukunft. Die Partei war damit dran, zu bestimmen, worüber bei der Aktuellen Stunde des Landtags am Donnerstag gesprochen wird. Sie wählte das Thema: »Wohlstand und Wettbewerb - Brandenburgs Wirtschaft nach der Pandemie«. Unterdessen verschiebt sich laut Landesregierung das Ziel, in der brandenburgischen Wirtschaft das Niveau von vor der Pandemie wieder zu erreichen, auf Ende 2022.

Linksfraktionschef Sebastian Walter empfahl, statt in die Zukunft hineinzuträumen, sich besser mit der Gegenwart zu beschäftigen, »also mit dem, wie es gerade aussieht«. Inzwischen hätten Menschen schlaflose Nächte, weil sie »nicht mehr wissen, wir sie ihre Rechnungen bezahlen sollen, oder weil sie um ihr Lebenswerk und das ihrer Großeltern bangen«.

Dies wäre nicht der Fall, wenn die rot-schwarz-grüne Landesregierung »in den vergangenen Monaten eine andere Politik gemacht hätte«, zeigte sich Walter sicher. Er verwies auf das Versprechen, »die Wirtschaft nicht hängen zu lassen« und stellte fest, dass angesichts zögernder Unterstützung zwei Drittel der Unternehmen in der Tourismusbranche sich fragen, ob sie weiter bestehen werden, wenn die verordneten Schließungen anhalten. Kommunale Betriebe wie die Therme in Bad Saarow hätten gleich gar keinen Cent Unterstützung erhalten. Dagegen konnten Superreiche wie Tesla-Boss Elon Musk ihr Vermögen in der Krise verdreifachen. »Wir wollen, dass diejenigen, die sich in der Krise reich gemacht haben, auch die Kosten der Krise bezahlen«, sagte Walter.

CDU-Fraktionschef Jan Redmann verwahrte sich gegen »diese Sudelei gegen Unternehmer«. Dies sei »ein richtig starkes Stück«. Elon Musk habe sein Geld nicht geschenkt bekommen, sondern es verdient, »weil er innovativ war und erfolgreich«. Was Walter wolle, sei Sozialismus - »und an der DDR hat man gesehen, wohin das führt«.

Walter entgegnete darauf: »Als Gewerkschaftsfunktionär hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich Ihnen den Vorwurf machen muss, die Unternehmer im Stich zu lassen. Ich habe nicht von Sozialismus geredet. Ihre Sozialismus-Vorstellung ist völlig daneben.« Walter forderte einen »starken Staat«, eine starke öffentliche Verwaltung. Er nannte es einen »Fehler«, dass in der Vergangenheit Kurs auf einen schlanken öffentlichen Dienst genommen und die Verwaltung »kaputtgespart« worden sei.

»Die Situation ist katastrophal«, urteilte der Abgeordnete Philip Zeschmann (Freie Wähler). »Fragen Sie doch, wer heute noch zuversichtlich ist!« Wenn sich die SPD jetzt vornehme, Anträge auf Hilfe zu vereinfachen, dann sei unbegreiflich, warum sie das nicht schon längst getan habe.

Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sprach von Menschen, die mit ihrem verantwortungslosen Verhalten alle anderen in Mitleidenschaft ziehen. Er erwähnte Bilder aus den Landkreisen Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz, auf denen Geschäftsinhaber zu sehen seien, die sich mit ihren Kunden ohne Maske in den Läden aufhalten. »Das macht es anderen Unternehmern in diesem Land kaputt.« Angesichts der neuesten Entwicklungen müsse man das Ziel, das wirtschaftliche Vor-Krisen-Niveau zu erreichen, auf Ende 2022 verschieben.

Der Forderung nach »Bürokratieabbau« stellte Steinbach den Anspruch entgegen, einerseits so wenig Bürokratie wie möglich vorzuschalten, andererseits aber auch Missbrauch auszuschließen. An dieser Stelle sei nicht immer »alles in der Balance gewesen«, das müsse besser werden. Angesichts eines neu eingerichteten Härtefallfonds von insgesamt 45 Millionen Euro warnte der Minister vor falschen Hoffnungen. Es werde nicht so sein, dass jeder Antragsteller »nun im Geld schwimmen wird«. Der Betrieb müsse nachweisen, dass er bislang keine Unterstützung in Anspruch nahm und »unverschuldet« in eine Notlage geraten sei.

Industrie und Handwerk sind aus Sicht des Abgeordneten Heiner Klemp (Grüne) von den Einschränkungen »wenig betroffen«, weil sie schließlich produzieren könnten. Wenn im laufenden Jahr mehr Unternehmen in die Pleite rutschen, dann könne es sich zum Teil um jene handeln, die schon im vergangenen Jahr insolvent waren, aber von der Pflicht entbunden, Insolvenz anzumelden. Der Abgeordnete zitierte Prognosen von Banken, die für das laufende Jahr von einer Insolvenzwelle zwischen einem Prozent (»also fast nichts«) und 14 Prozent ausgehen.

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