San Marino trumpft groß auf
Nach dem Abschluss der ersten Phase der Impfungen lockert der Zwergstaat die Corona-Regeln
In Europa gibt es ein Land, ein klitzekleines Land, in dem Covid wahrscheinlich bald Geschichte sein wird. Es hat nur 33 000 Einwohner und bis Ende Mai werden alle Erwachsenen dort zweimal geimpft worden sein. Schon ab letztem Montag kann man da abends wieder im Restaurant essen und muss nicht permanent Lieferdienste rufen. Auch wenn es so klingt: Das ist kein Märchen, sondern San Marino, wo die Bevölkerung mit dem russischen Sputnik V durchgeimpft wird.
San Marino ist die wohl älteste Republik der Welt und ihre Verfassung stammt aus dem Jahr 1600. Der unabhängige Staat liegt mitten in Italien, in der Nähe von Rimini. Er wird auch die Republik der Titanen genannt, weil der Hügel, auf dem er liegt, so heißt, oder auch »die Allerdurchlauchteste«. Trotz des antiken Namens hat die Republik ganz moderne Probleme - wie die Covid-Pandemie, die auch vor diesem Ministaat nicht haltgemacht hat. Insgesamt wurden dort knapp 5000 Menschen infiziert und 85 Personen sind bisher mit der Krankheit gestorben.
Auf dem Höhepunkt der Pandemie suchte man nach einer Lösung. Zuerst hatte man gehofft, dass die EU auch für die Allerdurchlauchteste Impfstoffe besorgen würde, obwohl das Ländchen ihr nicht (wohl aber der UNO) angehört. Doch wie auch anderswo ging das in San Marino nur sehr, sehr stockend voran. Als die Regierenden merkten, dass das Ganze äußerst kompliziert werden würde, gingen sie eigene Wege. Man begann eine Zusammenarbeit mit dem russischen Staatsfonds RDIF, der Anfang März 35 000 Einheiten des Impfstoffes Sputnik V besorgte. Als die Lieferung eintraf, wurde die russische Delegation mit einer Art Volksfest begrüßt. Und dann wurde geimpft, was das Zeug hielt. Insgesamt wurden bis zum letzten Sonntag 16 406 Dosen verimpft: 7220 Menschen haben bereits die zweite Impfung erhalten, weitere 9 186 bekamen die erste. Bemerkenswerte Zwischenfälle oder beunruhigende Nebenwirkungen wurden nicht registriert. Im Augenblick werden im Staatskrankenhaus noch 40 Covid-Kranke behandelt, zehn davon auf der Intensivstation.
In den vergangenen zwei Monaten gab es in San Marino einen harten Lockdown: Alle Läden waren geschlossen und zwischen 22 Uhr abends und 5 Uhr morgens herrschte eine Ausgangssperre. Auch die Schulen und Kindergärten waren zu oder funktionierten nur digital. Doch jetzt ist die erste Phase der Impfaktion abgeschlossen und also, so hat die Regierung bekanntgegeben, kann man die ersten Lockerungen einführen. Jetzt dürfen alle Kinder wieder in die Schule, Geschäfte wieder öffnen - die Einkaufszentren auch am Wochenende - und selbst die Gastronomie darf wieder Gäste begrüßen, zumindest bis 21.30 Uhr. Für fast alle anderen Europäer sind dies paradiesische Zustände. In den nächsten Tagen werden weitere 37 000 Sputnik-Dosen eintreffen und das Gesundheits- und Sozialministerium von San Marino geht davon aus, dass die gesamte Impfkampagne bis Ende Mai abgeschlossen sein wird.
Auch die weiteren Lockerungen sind bereits programmiert. Ab 18. April wird die Ausgangssperre auf Mitternacht verschoben und dann darf abends auch wieder Alkohol ausgeschenkt werden. Am Tag sind dann auch Sportstätten und Fitnessstudios geöffnet. Am 26. April wird die Ausgangssperre ganz aufgehoben und dürfen auch Theater, Kinos und Museen wieder öffnen. Das ganz normale Leben, das wir alle irgendwie vergessen haben und doch so herbeisehnen, wird dann in San Marino wieder stattfinden. Allerdings mit einer Ausnahme: Touristen dürfen immer noch nicht ins Land und Probleme wird es auch weiter für die vielen Pendler geben, die zum Arbeiten aus Italien kommen.
Doch immerhin: In San Marino sieht man nicht nur das berühmte Licht am Ende des Tunnels, sondern kann den Himmel dahinter mehr als nur erahnen. Und der Zwergstaat hat jetzt noch einen Beinamen: Man nennt ihn die erste russische Enklave in Westeuropa!
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