»Grüne Mauer« gegen Sand

Lange war es still um das Projekt zur Wiederbegrünung des Sahel in Afrika. Doch neue Finanzzusagen bringen Bewegung in die Sache.

  • Susanne Aigner
  • Lesedauer: 5 Min.

Die Grüne Mauer werde nach ihrer Fertigstellung ein »gewachsenes natürliches Weltwunder« sein, das sich über die gesamte Breite des afrikanischen Kontinents erstreckt, verspricht ein Bericht im Wissenschaftsjournal »Nature« vom Ende vergangenen Jahres (DOI: 10.1038/d41586-020-03080-z). Auf einer Länge von rund 7.500 Kilometern soll vom Senegal im Westen bis Dischibuti im Osten ein 15 Kilometer breiter Gürtel aus Bäumen und Sträuchern entstehen. Der Plan zur Wiederbegrünung geht auf das Jahr 2007 zurück. Er wurde von der Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung der Vereinten Nationen (UNCCD), der Initiative Große Grüne Mauer für die Sahara und die Sahel-Initiative (GGWSSI) sowie den damaligen Präsidenten Nigerias und Senegals ins Leben gerufen.

Schleppende Verwirklichung eines alten Plans

21 afrikanische Länder hatten sich dazu verpflichtet, bis zum Jahr 2030 rund 100 Millionen Hektar Land wiederzubegrünen und dabei zehn Millionen grüne Arbeitsplätze zu schaffen. Über ein »transkontinentales Mosaik aus grünen, produktiven Landschaften« soll die schleichende Wüstenbildung gestoppt, die Bodendegradation, der Verlust der biologischen Artenvielfalt gestoppt werden. Ein ähnlicher Plan wurde 2010 auf einer Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention in der japanischen Provinz Aichi erarbeitet, an der auch afrikanische Länder teilnahmen. Den sogenannten Aichi-Biodiversitätszielen zufolge sollten bis zum Jahre 2020 Naturschutzgebiete auf 17 Prozent der Landoberfläche und auf zehn Prozent der Küsten- und Meeresgebiete ausgedehnt werden.

Bisher wurde weniger als ein Fünftel der ausgewiesenen Fläche wiederbegrünt. Auf fünf Millionen Hektar wurden immerhin rund 200 Millionen Bäume gepflanzt. Dabei entstanden gerade mal 350 000 Arbeitsplätze. Die Gründe der schleppenden Realisierung: Zum einen hatte die Grüne Mauer für Staatsoberhäupter und Entscheidungsträger in der Afrikanischen Union lange keine Priorität, zum anderen fehlte es an Geld. Es mangelte sowohl an der Zusammenarbeit der Ministerien einzelner Länder, als auch am Kooperationswillen zwischen der Afrikanischen Union und internationalen Geldgebern, wie aus einem Bewertungsbericht der UN-Wüstenkonvention hervorgeht.

Für die Umsetzung des ambitionierten Planes braucht es für das nächste Jahrzehnt jährlich zwischen 3,6 und 4,3 Milliarden US-Dollar - eine gewaltige Herausforderung, wenn man bedenkt, dass das Projekt während des ersten Jahrzehnts rund zwei Milliarden US-Dollar kostete. Ob die 55 Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union das nötige Geld aufbringen können, darf bezweifelt werden.

Vor Kurzem haben die internationalen Partner elf afrikanischen Ländern für die nächsten fünf Jahre 16,85 Milliarden US-Dollar zugesagt - rund 30 Prozent der benötigten 33 Milliarden US-Dollar, mit deren Hilfe Initiativen zur Entwicklung des von Dürre und Armut bedrohten ländlichen Raums umgesetzt werden sollen. Die UNCCD will die Zuteilung von Geldern erleichtern und die Zusagen der Afrikanischen Entwicklungsbank (6,5 Milliarden US-Dollar), der Weltbank (5 Milliarden US-Dollar) und der Europäischen Kommission (2,5 Milliarden US-Dollar) weiter verfolgen. Neben der Koordinierung soll die Überwachung und Bewertung von Projekten verbessert sowie die Kapazitäten für Technik, Projektplanung usw. aufgebaut werden, erklärt Louise Baker, Geschäftsführerin des UNCCD.

Aufforstung und Wurzelnetzwerke sollen den Sand stoppen

Nahezu die Hälfte der Landfläche in Afrika ist von Dürre und Wüstenbildung bedroht. Wegen nicht nachhaltiger Landbaumethoden sind 65 Prozent des Landes degradiert. Rund 80 Millionen Menschen leben in der besonders kritischen Sahel-Region. 80 Prozent der Bevölkerung dort leben von Ackerbau oder Viehzucht und sind auf Regen angewiesen. Betroffen sind besonders arme Länder wie Burkina Faso und Niger mit hohem Bevölkerungswachstum. Bis 2030 sollen 100 Millionen Hektar Land fruchtbar gemacht und 20 Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln versorgt werden. Der grüne Gürtel birgt zudem ein gewaltiges Klimaschutzpotenzial: Mit den gepflanzten Bäumen sollen 250 Millionen Tonnen Kohlenstoff gebunden werden. Neben den elf Ländern in der Sahelzone sind auch nordafrikanische Länder in die Pläne mit einbezogen.

Bereits Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre war es dem Bauern Yacouba Sawadogo gelungen, mit Hilfe von Steinbarrieren und Kompost diverse heimische Baumsorten zu kultivieren und die Vegetation insgesamt zu regenerieren. Der Bauer aus Burkina Faso hackte Löcher in den trockenen Boden und legte eine Mischung aus Hirsekörnern, Kuhdung, Blättern und Asche hinein. Kleine Steinwälle hinderten das Regenwasser daran abzufließen. So holte er sogar aus ausgetrockneten Böden gute Hirseerträge. Darüber hinaus ließen Baumsamen langsam einen ganzen Wald entstehen. Bald verbreitete sich seine Methode über die Landesgrenzen hinaus.

Auch im Niger versuchen Bauern, die Pflanzen- und Baumwurzeln wiederzubeleben: Bäume, die so gut wie verdorrt waren, erholten sich wieder und werden sorgfältig gepflegt. Im senegalesischen Dorf Koyli Alpha ziehen Freiwillige Setzlinge nach der Methode des australischen Agronomen Tony Rinaudo, bei der unterirdisch vorhandenes Wurzelwerk wieder zum Austreiben gebracht wird. So werden vermeintlich abgestorbene Bäume in ihren natürlichen Regenerationsprozessen unterstützt.

Begrünung durch Gemeinschaftsgärten

Die diversen Projekte der Wiederbegrünung haben neben ökologischen auch soziale Auswirkungen. Laut einer schwedisch-französischen Studie von 2019 (DOI: 10.1007/s10113-019-01481-z) werden auf einigen Standorten Senegal-Akazien gepflanzt. Die Bäume mit ihren weitverzweigten Flachwurzeln sind nicht nur gut geeignet, Sanddünen zu fixieren. Überdies kann man aus ihnen das lukrative Gummiarabikum gewinnen. Darüber hinaus betreiben Frauen kommunale Gemüsegärten in Dörfern, wobei neue Wasserstellen geschaffen werden. Davon profitieren vor allem die lokalen Dorfgemeinschaften. Die Böden liefern zusätzliche 500 000 Tonnen Getreide pro Jahr, genug, um 2,5 Millionen Menschen zu ernähren. In Burkina Faso, Mali und Niger werden verbesserte Wasserschutztechniken angewandt, die sich positiv auf das Pflanzenwachstum auswirken. So legen nigrische Bauern Halbmondgruben an, um Wasser aufzufangen. Die Einheimischen können die Produkte aus ihren Wäldern verkaufen.

Der nigerianische Umweltaktivist Nnimmo Bassey fordert, verstärkt auf lokales Wissen zurückzugreifen und die Menschen vor Ort in Planung und Durchführung mit einzubeziehen. Schlechtes Bewässerungsmanagement und Überweidung sieht er als weitere Ursache der Wüstenbildung. Deshalb wurde eine nachhaltige Land- und Wasserbewirtschaftung Teil des Programms. Ihm zufolge braucht es mehr einheimische Baumarten, die Wasser im Boden speichern können. Doch die Bäume werden nur dauerhaft bestehen bleiben, wenn sie Teil des komplexen Ökosystems werden. Jahrelang habe die nigerianische Regierung Baumpflanzaktionen organisiert, ohne die Einheimischen mit einzubeziehen, kritisiert Bassey. Die Menschen vor Ort müssten motiviert werden, ihre Bäume nachhaltig zu pflegen.

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