Spitzenkandidatin Baerbock

Brandenburgs Grüne nominieren ihre Bundeschefin für die Bundestagswahl

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Am Sonnabend haben Brandenburgs Grüne ihre Bundesvorsitzende Annalena Baerbock zur Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl am 26. September gekürt. Bei der Landesdelegiertenkonferenz, zu der sich die Mehrheit der Teilnehmer online zuschaltete, erhielt die 40-Jährige 106 Ja-Stimmen bei nur einer Nein-Stimme und zwei Enthaltungen.
An diesem Montag entscheidet sich zudem, wen die Grünen zu ihrem Kanzlerkandidaten beziehungsweise eben ihrer Kanzlerkandidatin machen: Annalena Baerbock aus Brandenburg oder Robert Habeck aus Schleswig-Holstein.

Brandenburgs Landesparteichefin Julia Schmidt beantwortete die K-Frage am Sonnabend nicht eindeutig für Baerbock, wie man es vielleicht hätte erwarten dürfen. »Natürlich haben wir zwei, die es können«, wich sie einer Empfehlung aus und äußerte auch keinen Wunsch. Zu 110, 150 ja 200 Prozent gelte: »Ihr könnt beide Kanzler. Egal, wie es am Montag ausgeht – wir stehen hinter euch!«

Baerbock sagte: »In diesem Jahr ist alles möglich.« Die Grünen wollen in Potsdam und Umgebung erstmals in Ostdeutschland einen Wahlkreis gewinnen. Baerbock selbst tritt hier als Direktkandidatin an. Die politischen Verhältnisse in der Stadt haben sich derart verändert, dass dies ein realistisches Ziel sein könnte. Auch insgesamt sind die Grünen in Brandenburg stärker geworden.

Die Möglichkeit, im September erstmals mehr als nur eine Abgeordnete in den Bundestag zu entsenden, ist in greifbare Nähe gerückt. Im Rahmen des Möglichen wären diesmal sogar drei oder mehr Mandate. Bisher war der Landesverband von 2002 bis 2013 mit der Abgeordneten Cornelia Behm im Bundestag vertreten, seitdem mit Baerbock. »Mit dieser Bundestagswahl endet eine politische Epoche«, so Baerbock. »Wir sind die Veränderung. Für das Weiter so stehen andere«, sagte sie weiter.

Auf Listenplatz zwei wurde Bundesgeschäftsführer Michael Kellner gewählt – mit 41,7 Prozent im ersten Wahlgang und 50,9 Prozent in der Stichwahl. Bevor sein Mikrofon abgeschaltet wurde, hörte man ihn noch erleichtert seufzen: »Huh, geschafft!«
Der 43-Jährige setzte sich gegen drei männliche Mitbewerber und eine weibliche Konkurrentin durch. Letztere, Lydia Budiner, hatte sich in ihrer Bewerbungsrede als die zweitbeste Kandidatin nach Baerbock bezeichnet.

In der Art und Weise, wie sich Budiner für eine politische Verständigung mit Russland und gegen die Nato-Manöver an seinen Grenzen aussprach, setzte sie sich deutlich vom Kurs ihrer Partei ab. Das erinnerte an die pazifistischen Wurzeln der Grünen in den 1980er Jahren. »Ich bin sicherlich nicht das Wohlfühlpaket für die Rundum-sorglos-Fraktion«, gestand Budiner ein. Das führte für dazu, dass sie lediglich 0,97 Prozent der Stimmen erhielt, deutlich weniger als alle anderen Bewerber um Platz zwei.

Auch im Kampf um Listenplatz drei unterlag Budiner mit dann 1,8 Prozent. Gleich im ersten Wahlgang setzte sich hier die erst 25-jährige Anna Sophie Emmendörffer von der Grünen Jugend mit 51,8 Prozent der Stimmen durch. Sie schlug damit neben Budiner auch die Ex-Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky (42,3 Prozent) und Christiane Clarke (3,6) aus dem Feld. Überraschend war das nicht. Emmendörffer fuchtelte zwar bei ihrer Rede ruckhaft mit den Armen, was beim Zuschauen ziemlich nervte, traf aber genau den Ton, der in der zuletzt stark gewachsenen und dabei verjüngten Landespartei gut ankommt.

Die Landesvorsitzende Julia Schmidt nutzte ihre Rede bei der Landesdelegiertenkonferenz dazu, die Arbeit ihrer Partei in der 2019 gestarteten rot-schwarz-grünen Landesregierung über den grünen Klee zu loben. »In anderthalb Jahren haben wir unglaublich viel erreicht«, schwärmte sie. Es sei ein »Riesenerfolg«, dass künftig alle Gesetze in Brandenburg auf ihre Klimaverträglichkeit geprüft werden. Schmidt zählte viele Punkte auf und sagte, sie könnte die Liste ewig fortsetzen. Sie verstieg sich gar zu der Aussage, Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) habe in der Coronakrise »fast Übermenschliches« geleistet. »Ursula, ich bewundere dich«, sagte Schmidt.

Tatsächlich hat sich Nonnemacher nicht geschont. Was aber nutzte das? Sie bekam das Impfchaos nicht in den Griff und wollte ihre Fehler nicht einsehen. Hinter vorgehaltener Hand wird erzählt, Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hätte die Gesundheitsministerin längst entlassen, wenn er eine personelle Alternative hätte.

»Regieren ist nicht leicht«, gab Landeschefin Schmidt immerhin zu. Der SPD warf sie vor, den Ton verschärft und den Schalter auf Wahlkampf umgelegt zu haben. Dabei sei Wahlkampf in der Pandemie »fehl am Platz«. Die Koalition solle wieder so gut wie am Anfang zusammenarbeiten, mahnte sie. CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann warf Schmidt vor, er habe kein Problem damit, wenn Menschen nach Afghanistan abgeschoben werden.

Vom oppositionellen Linksfraktionschef Sebastian Walter ist Schmidt »einfach nur enttäuscht«. Der greife immer härter an und werde dabei auch persönlich. 2019 habe sie noch gesagt, sie hätte sich lieber eine rot-rot-grüne Koalition gewünscht, so Schmidt. Und jetzt? »Die Linken haben sich für mich als Koalitionspartner in Brandenburg disqualifiziert.«

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