Verkehrswende später - wenn überhaupt

Koalition aus SPD, CDU und Grünen lehnt umweltfreundliche Volksinitiative aus Kostengründen ab

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Nur 42 Prozent ihrer Wege erledigen die Brandenburger umweltfreundlich zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn. Gegenwärtig sinkt der Anteil sogar noch, weil Bürger aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus lieber ins private Auto steigen als in den Bus. Die Regierungsparteien SPD, CDU und Grüne haben in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, dass Fuß-, Rad- und öffentlicher Verkehr bis zum Jahr 2030 einen Anteil von 60 Prozent erreichen sollen.

Aber dieses Ziel werde die Koalition nie und nimmer erreichen, wenn sie die Volksinitiative »Verkehrswende Brandenburg jetzt!« im Landtag ablehne, warnte der Landtagsabgeordnete Christian Görke (Linke) am Montag im Infrastrukturausschuss. Rund 28 600 Unterschriften hatte die Volksinitiative am 13. Januar für ihr Anliegen abgegeben. Unter anderem wird gefordert, dass spätestens im Jahr 2035 die Brandenburger 82 Prozent ihrer Wege zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn zurücklegen. Dazu wird ein Bündel von Maßnahmen vorgeschlagen: Darunter mehr Schienen, zusätzliche Buslinien, günstige Tickets und breitere Radwege. Bei der Landtagssitzung in der kommenden Woche muss darüber entscheiden werden. Die Fristen für Volksinitiativen lassen eine Verschiebung nicht mehr zu.

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»Die Linksfraktion befürwortet die Volksinitiative und ich möchte Ihnen empfehlen, diese anzunehmen«, warb Görke im Infrastrukturausschuss. Doch er hatte am Ende nur seine Fraktionskollegin Isabelle Vandré und den Abgeordneten Philip Zeschmann von den Freien Wählern hinter sich. Der Ausschuss votierte mit zwölf zu drei Stimmen dafür, dem Landtag die Ablehnung der Volksinitiative zu empfehlen.

Nur die AfD sprach sich in der Debatte offen dafür aus, dass ruhig jeder mit dem eigenen Auto fahren solle, wenn es ihm beliebt, »meinetwegen mit der Kutsche«, wie Marianne Spring-Räumschüssel (AfD) sagte. Alle anderen strengten sich an, eine Begründung dafür zu finden, warum sie gegen ökologisch sinnvolle Ideen stimmen. Das Anliegen sei ja »sympathisch«, doch nicht zu bezahlen, entschuldigte sich der SPD-Abgeordnete Sebastian Rüter. »Sie sollten es besser wissen, Herr Görke!« Die Kassen seien leer.

Der ehemalige Finanzminister Görke wusste es auch wirklich besser - aber nicht in dem Sinne, wie Rüter es meinte. Nach Darstellung von Görke wären die notwendigen Mittel vorhanden beziehungsweise sie würden sich auftreiben lassen, wenn man es wirklich will. Görke hat mitbekommen, dass die Grünen sich hinter den Kulissen bemühten, die SPD aber aus Kostengründen bremste. »Szenen einer Ehe«, kommentierte er das lakonisch.

Bei einer Volksinitiative gebe es leider nur hopp oder topp, Zustimmung oder Ablehnung, versuchte der Abgeordnete Clemens Rostock (Grüne) zu rechtfertigen, dass seine Partei eine Volksinitiative ablehnt, der sie inhaltlich eigentlich nur zustimmen kann und die von Umweltverbänden und dem Fahrradclub ADFC vorangetrieben wurde - also von ihrer ureigenen Klientel. »Wir arbeiten an einem Kompromisspaket«, redete sich Rostock heraus. Es sei »misslich«, dass dazu noch kein Papier vorliege. »Aber das bekommen wir hin.«

Christian Görke fehlt da allerdings der Glaube. »Wir werden uns wiedersehen in einem Volksbegehren«, erwartet er. Ein Volksbegehren ist in Brandenburg die nächste Stufe nach einer Volksinitiative. 80 000 Unterschriften sind dafür erforderlich. Die Sammlung könnte parallel zum Bundestagswahlkampf laufen. Das wäre irgendwie peinlich für die Grünen.

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