Eine Chance für geflüchtete Lehrer und das Bildungswesen

Universität Potsdam qualifiziert zugewanderte Pädagogen für den Einsatz an deutschen Schulen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

In Istanbul hat Hakan Tankaz 13 Jahre Berufserfahrung als Mathematiklehrer gesammelt. Vor drei Jahren ist er aus politischen Gründen aus der Türkei geflüchtet und lebt jetzt mit seiner Familie in Berlin. Lehrer werden hier gesucht. Doch der 43-Jährige kann und darf nicht ohne Weiteres in den Schulbetrieb einsteigen. Um fest eingestellt zu werden, benötigt er bessere Deutschkenntnisse, Wissen über die in Deutschland übliche Pädagogik und ein zweites Fach.

Da hilft ihm das 2016 an der Universität Potsdam gestartete Flüchtlingslehrerprogramm. »Ich habe lange auf dieses Programm gewartet«, erzählt Tankaz erleichtert. Drei bis vier Semester dauert der Lehrgang an der Universität. Es schließen sich ein bis drei Jahre als Assistent an einer Schule an. Wem das zweite Fach fehlt, der muss dann auch danach noch nebenbei Kurse besuchen, während er schon unterrichtet – ähnlich, wie es Quereinsteiger tun.

Es ist ein langer Weg, der sich aber für beide Seite lohnt, wie Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) am Montag sagte. Den Programmteilnehmern winkt eine gut bezahlte Festanstellung, von der sie sich und ihre Familien ernähren können, und das Bildungsministerium erhält gut ausgebildete und obendrein erfahrene Lehrkräfte, die es so dringend braucht.

160 geflüchtete Lehrer sind bisher von der Universität Potsdam in das Programm aufgenommen worden, 105 haben es schon absolviert. Bislang sind aber nur drei Lehrer so weit gekommen, dass sie mit einer unbefristeten Stelle an einer öffentlichen Schule in Brandenburg unterrichten, sieben weitere mit einer befristeten. Zwei haben Kinder bekommen und sind deswegen in Elternzeit. Allerdings habe man keine Statistik, wie viele an Privatschulen oder an Berliner Schulen angenommen wurden, erklärt Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) die vergleichsweise ernüchternden Zahlen.

Die Abbrecherquote ist mit 27 Prozent ziemlich hoch. Nicht durchgehalten haben die Teilnehmer aber vor allem in den Anfangsjahren 2016 bis 2018, heißt es. Inzwischen sei die Lehre bereits verändert worden und wird nun auch noch weiter angepasst, wie Professorin Miriam Vock von der Universität Potsdam erläuterte.

Neu ist ab jetzt, dass sich das Programm nicht mehr ausschließlich an geflüchtete Lehrer wendet. Auch anders zugewanderte Pädagogen können eine Chance erhalten. Alle Bewerber müssen schon einen Hochschulabschluss erworben und in ihrer Heimat Berufserfahrung als Lehrer gesammelt haben. Außerdem werden Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2 verlangt, man muss Deutsch also schon fließend sprechen und lesen. Bis zum Ende der Assistentenzeit sollen sich die Programmteilnehmer auf das höhere Niveau C2 vorgearbeitet haben. Wissenschaftsministerin Schüle spricht von einem »Potsdamer Exportschlager«. Ihr zufolge kopierten Universitäten in Bielefeld, Bochum, Flensburg, Kiel und Wien das Programm.

2016 waren 11 000 der in jenem Jahr nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge nach eigener Aussage ausgebildete Lehrer. Eine Hürde ist, dass Lehrer in Deutschland zwei Fächer haben müssen, in den Heimatländern der Flüchtlinge jedoch oft nur für ein Fach ausgebildet wird. Mathelehrer Tankaz studiert nun noch das Fach WAT (Wirtschaft, Arbeit, Technik).

Asiya Celik stammt aus Kasachstan. Sie hat dort und in der Ukraine studiert und insgesamt 13 Jahre als Deutsch- und Englischlehrerin in der Ukraine und in der Türkei gearbeitet. Als sie vor drei Jahren aus der Türkei nach Deutschland flüchtete, habe leider infrage gestanden, ob sie hier weiter unterrichten könne, sagt die 37-Jährige. Das Programm gab ihr neuen Mut. »Alles ist so gut organisiert«, lobt sie.

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